Michael Ludwig (li.) und Wolfgang Sobotka (re.) sind sich im Gespräch mit Gerfried Sperl (DER STANDARD) in einem Punkt einig: Die Einsparung von Energien und Ressourcen schont nicht nur das Klima, sondern auch das Portemonnaie. Die Politik hat die Aufgabe, klare Vorgaben zu formulieren.

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Mit Bauten aus den Sechziger- und Siebzigerjahren kann man heute nicht viel anfangen. Heute ist die Planung in Hinblick auf Nachhaltigkeit und Lebenszyklen weitaus sorgfältiger, sagen Michael Ludwig und Wolfgang Sobotka im Gespräch mit Gerfried Sperl.

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STANDARD: Ist Qualität im Wohnbau nun ein Kostentreiber oder ein Glücksfaktor? Was haben Sie beide von den heutigen Diskussionen gelernt?

Sobotka: Was ist Qualität? Eine derartig komplexe Formulierung zu einem Schlagwort zu bringen ist nicht einfach. Man kann sich jedenfalls nicht immer am Publikumsgeschmack orientieren. Wenn wir Qualität vermitteln wollen, dann müssen wir unsere Bürger in ihren Anliegen entsprechend begleiten. Gerade dort, wo es beispielsweise um die Einsparung von Ressourcen geht, hat die Politik strikte Vorgaben zu machen. Wir müssen auch der zeitgenössischen Architektur eine Bahn brechen. Es geht auch um die Außenhaut, nicht nur um das Innenleben des Wohnens. Dieser Diskurs ist für uns sehr wichtig. Heute ist ein Schlagwort gefallen, das mich besonders fasziniert: Wohnqualität ist mehr als Gebäudequalität. Und das stimmt. Denn zum guten Wohnen gehört nicht nur die Wohnung, sondern auch das Umfeld, die städtebauliche Dimension, der Standort.

Ludwig: Bauträgerwettbewerbe gibt es bereits seit 1995 – und zwar in einem quantitativ und qualitativ guten Umfang. Aber nach einigen Jahren ist es an der Zeit, selbstkritisch zu überprüfen, an welchen Rädchen man denn heute drehen kann, um die neuen Herausforderungen im Wohnbau aufzugreifen und anzunehmen. Heute sind einige konkrete Themenvorschläge gefallen, die für uns im Wohnbau in den nächsten Jahren zweifellos eine große Rolle spielen werden. Nur um ein Beispiel zu nennen: Ich denke etwa daran, dass die Bevölkerung erfreulicherweise immer älter wird. Und daher muss man auch darüber nachdenken, wie man altersgerechtes Wohnen unterstützt und das Miteinander der Generationen fördert.

STANDARD: Wir haben heute auch von Nachhaltigkeit und von Lebenszyklen gesprochen. Wo sehen Sie in Niederösterreich gelungene Wohnbauten der Sechziger- und Siebzigerjahre, die man heute nicht abreißen muss, sondern sanieren kann?

Sobotka: Die Zeit des Wiederaufbaus – und genau da waren wir mitten in den Sechzigern – hatte ganz andere Kriterien zu erfüllen als heute. Der Beginn unseres Genossenschaftswesens war damit bestimmt, zuerst einmal überhaupt Baumaterialien zu bekommen und das Bauen in der Fläche zu organisieren. Ich möchte die Bauten der Sechziger- und Siebzigerjahre nicht grosso modo schlechtmachen, doch von der Raumstruktur her haben sie große Probleme, heute noch zu bestehen. Das bemerken wir vor allem beim Zu- und Anbauen. Durch das viele Pfuscherwesen hat sich abgezeichnet, dass die damalige Planung nicht sorgfältig war, sondern oft nur aus ein paar schnellen Strichen bestand. Qualitätsvolle Planung durch Baumeister und Architekten zeichnete sich gerade in Niederösterreich erst viel später ab.

Ludwig: Wien ist eine sehr historische Stadt. Aber ja: Es gibt auch den wunden Punkt der von Ihnen angesprochenen Zeit. Hier versuchen wir, neben der Sanierung vor allem ökologische Überlegungen miteinzubeziehen. Ich denke an die thermisch-energetische Sanierung, die so genannte Thewosan-Sanierung, wo es uns gelungen ist, in Hinblick auf die Kioto-Ziele und das Klimaschutzprogramm nicht nur Energie einzusparen, sondern auch den Mietern bei den Energiekosten zu helfen. Heuer versuchen wir, 10.000 Wohnungen gefördert zu sanieren.

Sobotka: Die meiste Qualität orte ich dort, wo wenig Geld vorhanden war – beispielsweise im Einfamilienhausbau. Wo eine gewisse Maßstäblichkeit gegeben war, weil auch nicht mehr leistbar war, hatten die Bauten in der Regel eine gute Qualität. Das ist auch beim Wohnungsbau der Fall. Wenn zu viel Geld da war, wurde das Bauen unproportional, und überdimensioniert. Man hat schlichtweg über die Stränge geschlagen. Ich denke, da war der Geldbegrenzungsfaktor auch ein Qualitätsfaktor.

STANDARD: In Deutschland gibt es die Debatte, inwieweit man Gemeindewohnungen in Wohnungseigentum überführen und damit eine Qualitätsverbesserung erreichen könnte. Es gibt einige positive Beispiele, wo es tatsächlich zu Sanierungen gekommen ist, weil sich Bewohner zusammengetan und Eigentümergemeinschaften gebildet haben. Wie sieht da Ihre grundsätzliche politische Position aus?

Ludwig: Da habe ich eine eindeutige Position – und da klammere ich bewusst jene Wohnungen und Bauten aus, die zwar im Eigentum der Stadt Wien stehen, aber nicht traditionelle Gemeindebauten sind. Das sind so genannte Stiftungshäuser, die im Laufe der Geschichte der Stadt Wien vererbt worden sind oder auf anderem Wege in ihr Eigentum gekommen sind. Für die insgesamt mehr als 210.000 Gemeindewohnungen würde ich aus meiner Sicht allerdings ausschließen, dass wir diese Gemeindewohnungen privatisieren oder veräußern. Der Grund ist einfach: Fast jeder dritte Wiener wohnt in einer Gemeindewohnung. Der Umstand, dass wir als Stadt Wien in diesem hohen Ausmaß Wohnungseigentümer sind, wirkt sich auf den Wohnungsmarkt insgesamt preisdämpfend aus. Wien ist eine Großstadt mit hoher Lebensqualität. Im Rahmen der Mercer-Studie sind wir von 215 internationalen Städten auf den dritten Platz gereiht worden. In den drei Kategorien, die sich mit Wohnen beschäftigt haben, hat Wien zehn von insgesamt zehn erreichbaren Punkten bekommen.

Sobotka: Man kann einen urbanen Raum nicht mit einem Flächenbundesland vergleichen. Wenn ich aber die Wohnsituation in den einzelnen Gemeinden betrachte, dann sind etwa 60 bis 70 Prozent im Eigentum der Bewohner und etwa nur ein Viertel in Vermietung. Die Nachfrage nach Mietwohnungen steigt vor allem dort, wo die Mobilität der Leute zunimmt. Dort, wo man über zwei, drei Jahre hinweg die berufliche Situationen nutzen will, um sich zu festigen, ziehen die Leute natürlich bevorzugt in eine Mietwohnung. Wir bauen und sanieren etwa 20.000 Einheiten pro Jahr. Generell ist jedoch nach wie vor ein verstärkter Trend zum Eigenheim festzustellen. Leider haben wir große Mühe, beim Eigenheimbau den Ressourcenverbrauch zu reduzieren.

Ludwig: Die Frage der Wohnbauförderung ist sehr wichtig. Ich glaube, dass wir bei den kommenden Finanzausgleichsverhandlungen darauf hinweisen müssen, wie wichtig dieser Bereich nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch für die soziale Verträglichkeit ist. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.6.2007)