Richard Wein: "Zifferndomains waren kein Knaller"

Foto: nic.at
Die Frage nach dem Umgang mit Spam, die Internationalisierung der Domainnamen und die Diskussion, wer künftig Einfluss auf das Internet haben soll, sind die Hauptthemen, die die Webgemeinschaft in den nächsten Jahren beschäftigen werden, meint Richard Wein, Geschäftsführer der österreichischen Domainvergabestelle nic.at . Im Interview mit pressetext erklärt Wein zudem, warum es noch genügend Platz im Web gibt, IPv6 in den nächsten fünf Jahren ein Randthema bleiben und welche Lehre aus der Spamhaus-Affäre gezogen wird.

Frage: Wer schon einmal eine österreichische Domain gekauft hat, ist zumindest über Umwege auf die Vergabestelle nic.at gestoßen. Welche Aufgaben nimmt nic.at noch wahr?

Wein: Im Prinzip ist nic.at ausschließlich die Vergabestelle. Die Domainverwaltung hat jedoch zwei Beine. Zuerst stellen wir sicher, dass es jede Domain nur einmal gibt - sie eine unique Domain ist. Das ist zwar an sich eine unspannende, aber dennoch sehr wichtige Sache. Dahinter läuft als zweite Aufgabe der Domain Name Service als einer der wichtigsten Aufgaben im Internet. Dadurch wird sichergestellt, dass sobald jemand auf irgendeinem Computer auf der Welt eine Webadresse eingibt, er auf die richtige Seite gelangt. Wir stellen sicher, dass der Domainname in die richtige IP-Adresse übersetzt wird.

Frage: Seit einigen Jahren wird IPv6 diskutiert, allerdings bleibt es zumeist bei der Diskussion. Wie ist es denn um die aktuelle Verfügbarkeit von IP-Adressen bestellt?

Wein: IPv6 wird seit Jahren diskutiert und immer wieder aufgeworfen. Es gibt viele Pläne, allerdings sind sich bei dem Thema nicht einmal Experten einig. Klar ist, dass die aktuell verfügbaren Adressen irgendwann zur Neige gehen. Demgegenüber bietet IPv6 eine schier unerschöpfliche Anzahl an IP-Adressen. Derzeit gibt es vor allem in den USA aber auch in anderen Ländern viele Reserven. So besitzt beispielsweise die Universität Stanford ein völlig ungenutztes Class-A-Netzwerk, das so groß ist, dass damit ganz Europa mit IP-Adressen versorgt werden könnte. Ich denke daher, dass wir mit gezieltem Ressourcenmanagement in jedem Fall noch sechs Jahre mit den aktuell vorhandenen Adressen auskommen werden. IPv6 hat sich auch deshalb noch nicht durchgesetzt, weil es noch zu wenig entsprechende Applikationen gibt. nic.at ist schon seit zwei Jahren IPv6-fähig, genutzt werden die Adressen allerdings erst von drei oder vier Registraren.

Frage: Wie ist es um die österreichische Internetzone bestellt. Kann man sagen, dass man mittlerweile eine Sättigung erreicht hat?

Wein: Nein, glücklicherweise nicht. Wir haben vor kurzem die 750.000ste Domain registriert und wachsen im Branchentrend zweistellig. Das Gesamtwachstum liegt zwischen 15 und 18 Prozent und wir sind hier ebenfalls in diesem Bereich angesiedelt. Derzeit haben wir im Monat etwa 10.000 bis 15.000 Neuregistrierungen und 2.000 Löschungen. Unsere Erwartungshaltung ist daher, dass wir 2009 die Millionen-Grenze überschreiten werden. Ich glaube, dass die Zone selbst dann noch weiterwachsen wird, allerdings nicht mehr in diesem Ausmaß.

Frage: Im vergangenen Herbst hat nic.at Zifferndomains eingeführt. Wie zufrieden sind sie mit der Nachfrage?

Wein: Derzeit haben wir circa 1.500 Domains vergeben - deutlich weniger, als wir beim Start erwartet hatten. Anscheinend sehen unsere Kunden zuwenig Anreiz und Nutzen in den Zifferndomains. Wir dachten, dass sich Zifferndomains für die Registrierung von Daten wie dem Hochzeitstag oder für Postleitzahlen anbieten. Aber auch dies wurde wenig angenommen. Unter dem Strich ist es allerdings sinnvoll und richtig gewesen, die Möglichkeit zu bieten, da es keine technischen Hürden mehr gibt, die dagegen sprechen. Mir ist es auch recht, wenn einige Hundert zufriedene Kunden das Angebot nutzen. Ein Knaller waren die Zifferndomains jedoch nicht.

Frage: Ein Blick in die Zukunft des Internets: Vor welchen Aufgaben steht man in der IT-Branche?

Wein: Ein Riesenthema der nächsten Zeit sind internationale Domainnamen (IDN). In Österreich trifft uns das Thema zwar nicht so stark, dafür ist es in den Boomländern wie China, Indien oder Russland umso wichtiger. Damit gehen viele Fragen einher, die noch geklärt werden müssen - beispielsweise, wer die Adressen vergibt unter welcher Judikatur sie stehen oder wie die Netzverwaltung hierfür aussehen soll. Weiters hat sich Spam mittlerweile zu einem massiven Problem entwickelt und muss unter Kontrolle gebracht werden. Nicht zuletzt gilt es auch die technische Infrastruktur des Webs zu verbessern, damit sie mit dem laufend wachsenden Datenvolumen zu Recht kommt.

Frage: Der Konflikt mit der Blacklist Spamhaus.org hat diese Woche die Wogen hochgehen lassen (der WebStandard berichtete). Welche Lehren ziehen Sie daraus?

Wein: Ich glaube, wir haben unterschätzt, welche Folgen und Einflüsse solche "Blacklisten" haben. Daher werden wir unsere Registrare künftig sehr genau über Praktiken und Methoden von Anbietern dieser Listen informieren. Die Registrare müssen dann entscheiden, was für Sie und letztendlich für die Kunden dahinter gut ist. Spamhaus berichtet in einer Aussendung zwar von einem Einlenken von unserer Seite, allerdings möchte ich festhalten, dass nic.at die Domains weder gelöscht noch gesperrt hat. Dies liegt in der Verantwortung der Zone-C (Anm. der Red: zumeist der Internet Service Provider), welche auch den Nameserver betreibt. nic.at ist rechtlich nicht in der Lage, Seiten zu löschen.

Frage: Wer soll künftig "Herr des Internets" sein?

Wein: Das ist schwer zu sagen. Die Diskussion darüber, wie stark Regierungen in das Internetgefüge eingebunden sind, wird die Community in den nächsten Jahren stark beschäftigen. In Österreich haben wir damit kein Problem, die Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie und der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH läuft sehr gut. International gibt es zum Beispiel von Seiten Brasiliens oder Syriens starke Regulierungsbedürfnisse gegenüber dem doch US-lastigen System Internet. Das wird in den kommenden Jahren zu heftigen Diskussionen führen.

Frage: Welche Lösungsansätze gibt es hierfür?

Wein: Es wird die Einführung neuer Gremien diskutiert, die ähnlich der UNO nach dem Prinzip "one seat, one voice" organisiert sind. Daneben gibt es Bestrebungen, die oberste Internetverwaltungsstelle ICANN stärker zu internationalisieren. Wichtig ist dabei, dass ein Gremium geschaffen wird, das dann auch mit genug Macht ausgestattet ist, gewisse Dinge umzusetzen. Allerdings meine ich, dass - solange George Bush an der Macht ist - die Diskussionen nicht vorankommen werden. Nach Bush wird das leichter.

Frage: nic.at hat 2007 das Jahr des Namens ausgerufen. Was steckt hinter der Kampagne?

Wein: Mit dieser Kampagne wollen wir die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen, dass das Internet eine gute Möglichkeit bietet, auf sich selbst, auf ein Produkt oder eine Firma aufmerksam zu machen. Es gibt viele Leute, die ihren Namen noch nicht registriert und damit weder reserviert noch geschützt haben. Aufgrund des "First Come, First Serve"-Prinzips sollte man bei der Sicherung der eigenen Identität im Internet jedoch schnell sein.(pte)