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Ein anonymer Gefängniswärter im T. Don Hutto Residential Center in Taylor, Texas, das von CCA betrieben wird.

Foto: AP/Otero
Nichts hat geholfen: nicht die Krokodilstränen, nicht die wohlhabenden Eltern und auch nicht der Medienrummel. Paris Hilton traf auf einen unnachgiebigen Richter, der sie wegen wiederholter Trunkenheit am Steuer für 45 Tage hinter die Gitter schickte. Kein Recht auf Berufung, keine Extrawürstchen.

Gemessen an den kalifornischen Standards hatte die verwöhnte Hotelerbin Pech. Tatsächlich gibt es in ihrem Heimatstaat rund ein Dutzend Haftanstalten, die kleinen Delinquenten gegen Bezahlung erträglichere Bedingungen anbieten: Saubere Zellen, abgeschottet von den regulären Zuchthäuslern; in manchen Fällen sind gar iPods erlaubt.

"Ja, ich bin glimpflich davongekommen", gibt die 22-jährige Nicole zu, die für ihren dreiwöchigen Strafvollzug im Orange County Jail im Südosten von Los Angeles 1722 Dollar abgedrückt hat. Ihre Zelle, sagt sie, sei ruhig gewesen, und sie habe keine Probleme mit den anderen Frauen gehabt: "Die haben mir sogar ihr Shampoo geliehen."

Fünf-Sterne-Knast

Kostenpunkt der "Fünf-Sterne-Gefängnisse": zwischen 75 und 127 Dollar pro Tag. Die Behörden sind mehr denn je auf solche Mehreinnahmen angewiesen. Strengere Gesetze haben die Kriminalitätsrate drastisch zurückgehen lassen, doch dafür explodiert die Zahl der Insassen. Derzeit sind in den USA 2,3 Mio. Menschen eingesperrt, viermal mehr als in den 70ern, Tendenz weiter steigend.

Neue Anstalten müssten her, doch das kommt die zuständigen Regierungen teuer zu stehen. Deshalb greifen sie zunehmend auf private Gefängnisbetreiber zurück: Diese verwahren mittlerweile fast jeden zehnten amerikanischen Häftling.

Marktführer

Die Privatisierung des US-Justizvollzugs begann bereits in den 80ern. Heute ist die Corrections Corporation of America (CCA) der Marktführer. In den 64 Anstalten des Konzerns sind rund 70.000 Menschen eingesperrt. Und diese sorgen für ein einträgliches Geschäft. CCA hat den Nettogewinn 2006 auf 105,2 Millionen Dollar (783 Millionen Euro) verdoppelt; der Aktienkurs ist in den vergangenen zwölf Monaten um 95 Prozent explodiert.

Weitere Anstiege sind programmiert, weil die Auslastungsrate der Anstalten stetig anzieht: 2006 waren 94,9 Prozent der Betten konstant belegt. Kritiker monieren, dass die Privatunternehmer keinerlei Interesse daran haben, Häftlinge wieder in die Freiheit zu entlassen, geschweige denn an ihrer Resozialisierung zu arbeiten. "Die Rechnung ist schnell gemacht", fasst Stephen Nathan von der University of Greenwich zusammen, "je mehr Insassen, desto höher die Einnahmen".

Nach verschiedenen Erhebungen kommt es die öffentliche Hand um bis zu 30 Prozent billiger, Häftlinge in ausgelagerten Anstalten unterzubringen. Der private Justizvollzug spare am Personal, weiß die Fachautorin Judy Greene: "Die Wärter sind schlecht ausgebildet und verdienen wenig – klar, dass es zu Nachlässigkeiten und Willkür kommt."

Selbstmorde und Vergewaltigungen

Seit seiner Gründung 1983 sorgt CCA immer wieder für Negativschlagzeilen. 2006 häuften sich in einer Anstalt in Florida die Selbstmorde. In Colorado entkam ein Häftling dank Planungshilfe der Wärter. Im Washington klagen zwei Frauen, sie seien in Isolierzellen vergewaltigt worden.

Nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch die Insassen sind ein Kostenfaktor für die Privatbetreiber. Gefangene werden oft hunderte Kilometer bis zu einem Gefängnis gefahren, in dem gerade eine Zelle frei ist. Das ist effizienter, als in jedem Bundesstaat eine Anstalt zu bauen und damit womöglich leer stehende Betten zu riskieren.

"Gefährlicher Teufelskreis"

Christie Donner, Juristin beim Menschenrechtskomitee Criminal Justice Reform, spricht von einem gefährlichen Teufelskreis. Wer weit von zu Hause weg einsitze, sei gewaltbereiter, sagt sie. "Ohne Familienbesuche liegt die Rückfallrate bei nahezu hundert Prozent." Auch die Standards sind in den Privatgefängnissen generell niedriger als in Staatsanstalten. Ein publik gewordener Vorfall schlug auch in der Hauptstadt Washington Wellen. Der Bundesstaat Colorado überführte 480 Häftlinge aus dem öffentlichen Vollzug in ein CCA-Gefängnis in Oklahoma. So viele Beschwerden sickerten durch, dass die Föderalregierung einen Untersuchungsausschuss ins Leben rief. Dabei stellte sich unter anderem heraus, dass CCA den Häftlingen bis zu dreimal höhere Kioskpreise berechnet. Für eine Tube Zahnpasta etwa, die in den öffentlichen Anstalten für 95 Cent zu haben ist, zahlen die CCA-Insassen 2,23 Dollar. Eine Rolle Toilettenpapier kostete 70 statt 40 Cent. (Beatrice Uerlings aus New York, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23./24.6.2007)