Von der Informatik zur Forschung für die Industrie: Dorothea Heiss
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Der Mensch verfügt über eine extrem leistungsfähige Bildverarbeitung. Was die Augen sehen, wird vom Gehirn vorverarbeitet. Nur ein Bruchteil gelangt in unser Bewusstsein, weil wir sonst ständig überfordert wären. Mit Vergleichbarem ist die Abteilung Hochleistungsbildverarbeitung der Austrian Research Centers in Seibersdorf beschäftigt. Dort entwickelt man weltweit führend optische Systeme zur automatisierten Qualitätskontrolle in der Industrie.

Projektleiterin Dorothea Heiss und ihre Kolleginnen und Kollegen haben eine Hochleistungszeilenkamera entwickelt, die extremen Anforderungen an Tempo, Auflösung und Genauigkeit gerecht wird. Sie beäugt beispielsweise bunte Briefmarken mit 100.000 Zeilen à 1280 Pixel pro Sekunde. Dabei filtert und verdichtet sie ähnlich wie das Gehirn die wesentlichen Informationen.

Ideale Kombination

Informatik an der TU-Wien erschien Dorothea Heiss, die schon als Kind Mathematik liebte, in den 1980ern als die ideale Kombination aus interessanter Theorie und praktischer Anwendbarkeit. Bis heute habe sie die Wahl nie bereut. Der Frauenanteil lag geschätzt bei zehn Prozent - das war damals revolutionär hoch für die Fakultät.

Heiss fing danach bei der Firma Alcatel an, nach der Karenz folgten zwei forschungsnahe Startups und nun das größte außeruniversitäre Forschungsunternehmen Österreichs. Ihre Bilanz: Exzellente Forschung von internationaler Relevanz ist kostspielig und risikoreich - und hat es hierzulande nicht leicht. Spitzenforschung braucht Förderungen, weil sich mögliche Geldgeber kaum dafür interessieren und oft nur die trendigen Themen aufgreifen.

Mit einem Stipendium forschte sie 1990 ein Jahr an der Boston University. Dort müssen sich Studierende extrem engagieren, brandaktuelle Publikationen lesen und ein völlig eigenständiges Projekt präsentieren. "Eine optimale Vorbereitung für wissenschaftliches Arbeiten", findet die Industrieforscherin.

"Es sind besondere Momente, wenn neue Ideen entstehen. Diese ausgetüftelte Hardware ist voll davon, viele haben wir zum Patent angemeldet", so die Informatikerin. Ihre Arbeit beschreibt die Projektleiterin als kreativ, zukunftsorientiert und vielfältig, nah am Kundennutzen, aber auch an abstrakten, mathematischen Theorien.

"Ich musste mir eine Menge dumme Sprüche anhören"

Diskriminiert wurde Dorothea Heiss nie, "aber ich musste mir eine Menge dumme Sprüche anhören". Naturwissenschaftliche Berufe seien noch sehr männerdominiert. "Meine Kollegen können sich kaum vorstellen, dass ich mich als Naturwissenschaftlerin in Sachen Autos dennoch langweile", schmunzelt Heiss. Trotzdem möchte sie junge Frauen ermutigen, denn die Thematik ist faszinierend und bietet gute Berufsaussichten.

Obwohl die 43-Jährige auch in der Karenz stets wissenschaftlich arbeitete und publizierte, hatte sie damals den Eindruck, "nicht mithalten zu können". Sie arbeitet seit der Geburt ihrer Kinder Teilzeit, und auch privat organisierte Kinderbetreuung war immer "mit schlechtem Gewissen" verbunden. Heute sind die beiden 14 und 12 Jahre alt, werden also bald froh sein, wenn sie wochenweise auf wissenschaftlichen Konferenzen im Ausland ist. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten mit der Familie. Die Vielleserin findet mit Hobbies wie Trommeln, Bauchtanzen und Töpfern einen guten Ausgleich zu ihrem Arbeitsalltag. (Astrid Kuffner/DER STANDARD, Printausgabe 20.06.2007)