Im Regierungsprogramm haben ÖVP und SPÖ vereinbart, "die Schaffung einer erstinstanzlichen Entscheidungskompetenz der BWB" zu prüfen. In Deutschland, Italien und anderen EU-Staaten hat die Kartellbehörde eine solche Doppelfunktion, erst bei Berufung schaltet sich ein Gericht ein. Auch die Generaldirektion für Wettbewerb in der EU-Kommission ist gleichzeitig für Untersuchung und Entscheidung bei Kartellrechtsverstößen zuständig.
Für Peter Matousek, Stellvertreter des Generaldirektors für Wettbewerb, wäre eine solche Kompetenzausweitung sinnvoll. Schon jetzt würde das Kartellgericht in den meisten Fällen einer "vertieften Prüfung" dem Antrag der BWB folgen und auf eine inhaltliche Evaluierung verzichten.
Dem widersprach Eckhard Hermann, der für Kartellfragen zuständige Senatspräsident des Oberlandesgerichts Wien. Er verwies auf eine OECD-Studie, in der die Trennung zwischen Untersuchung und Judikatur von Wettbewerbsangelegenheiten in der EU-Kommission gefordert wird. Das Problem sei die "inquisitorische Befangenheit", also die Gefahr, dass die einen Fall untersuchende Behörde dann nicht mehr objektiv entscheiden könne. Deshalb sei ein "kontradiktorisches System", wie Österreich es jetzt hat, besser, zitierte Hermann einen Rechtsexperten.
In einigen prominenten Fällen hat das Kartellgericht tatsächlich den Antrag der BWB abgewiesen – so etwa beim Haftungsverbund der Sparkassen, den die BWB als Zusammenschluss eingestuft sehen wollte.