Die Hamas ist dabei, die Fatah aus dem Gazastreifen hinauszuwerfen. Wenn die Machtteilung zwischen den beiden großen Palästinenserfraktionen auf "nationaler" Ebene nicht klappt - wobei nach dem palästinensischen Wählerwillen die Fatah der Juniorpartner gewesen wäre -, dann wird der Konflikt eben territorial gelöst. Hamas-Stan im Gazastreifen und im Westjordanland die diversen Fatah-Bantustans.

Tatsächlich driften die beiden Teile eines hypothetischen palästinensischen Staates seit Langem auseinander. Die Wurzeln zur unterschiedlichen Entwicklung wurden früh gelegt. Wohl gehörten beide, Gazastreifen und Westjordanland, zum Gebiet des britischen Mandats in Palästina. 1948, nach dem ersten israelisch-arabischen Krieg nach der Staatsausrufung Israels auf Teilen dieses Mandatsgebiets, wurde der Gazastreifen von Ägypten besetzt, während das Westjordanland von Jordanien geschluckt, das heißt: annektiert wurde. Aber schon vorher, allein wegen der geografischen Nähe zu Ägypten, war Gaza offener für die Ideologie der Muslimbrüderschaft.

Die oppressive Atmosphäre der Besetzung durch Israel seit 1967, die in dem kleinen Landstrich noch stärker zu spüren war als im landschaftlich offenen Westjordanland; die Islamisierung während der ersten Intifada, die vom Gazastreifen ihren Ausgang nahm; die protzigen Villen der korrupten PLO-Granden, die 1994 mit Yassir Arafat aus dem tunesischen Exil heimkehrten: Ob die im Gazastreifen lebenden Menschen jemals die "Wahlfreiheit" hatten, die im Jänner 2006 der Hamas einen großen Sieg bescherte, ist zu hinterfragen.

Da war es auch schon klar, dass der Abzug der israelischen Siedler und Militärs - Letztere blieben vor der Tür sitzen - im Sommer 2005 aus der traurigen Enklave kein "Dubai am Mittelmeer" machen würde. Nun also die Implosion, die die Kräfte an die Macht bringt, die der Westen durch seinen Boykott in Schach halten wollte. Und das Zeitfenster für eine palästinensische Staatsgründung geht zu. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 15.6.2007)