Auch das Programmheft versprach indes viel, This Is Not A Love Song sollte eine unüberbietbare Auseinandersetzung mit dem Thema "romantische Liebe" sein. Eine Begegnung mit der Gestalt gewordenen Seelenpein der Protagonisten aus Schumanns Dichterliebe und Schuberts Winterreise ward ebenso versprochen wie sozialtheoretische Einsichten in den "Kommunikationscode Liebe". "Mitempfundene und als echt beglaubigte Gefühle" sollten allerlei Umwertung erfahren.
"Worte sind Schall und Rauch", sei Faust im Sinne einer bewusstseinserweiternden Erkenntnis - natürlich à la mode verfremdend - zitiert. In kleinen Gruppen wurde das Publikum in das Dunkel des Theatersaales vorgelassen. Die ersten nahmen Platz, die übrigen sahen sich gehorsam in den Kammern und Nischen im von Monica Bonvicini konzipierten Raum um. Die an ihrer Liebe Dahinsiechenden krümmten sich in ausgewaschenen Rippunterhosen hinter Glas, hockten neben der Toilette, kauerten bei Tisch oder hatten am Boden hingestreckt bereits den Tod ins Gesicht geschrieben.
Einer hatte noch Kraft zum Narzissmus und versuchte sich vorm Spiegel an Schumanns Ich grolle nicht. In Blockformation schreitende Damen in Schwarz und vereinzeltem Blau zitierten aus Texten des Soziologen und Systemtheoretikers Niklas Luhmann. Vieles verschwamm akustisch, manches blieb haften. Etwa: Liebe ist kein Gefühl. Liebe ist eine Konstruktion. Aha.
Das umherstreifende Publikum ließ sich - immerhin gruppenpsychologisch interessant - allmählich im Dunkel entlang des Licht-Laufstegs Einhalt gebieten und harrte der Endlosschleifen der wandelnden Kollektive. Ein wenig unbeholfene Gregorianik, ein bisschen sprachliche Abspaltung und Minimalistik, gemischt mit atmosphärisch suggerierenden Loops.
Nach einer Stunde verließen die ersten Mutigen still den Saal. Wer durchhielt und unerschütterlich auf Inhalt wartete, erfuhr zumindest Gnade, als schließlich alle im Schritt, im Wort, im Ton innehielten und im verlöschenden Licht Kontur verloren. Ein kurzes Wiederaufleuchten ließ Böses ahnen, aber der forsche Applaus bedeutet auch im bemüht unkonventionellen Theaterbetrieb das Ende der Vorstellung.