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Der Wiener Altbürgermeister Helmut Zilk, dem 1993 eine Briefbombe die linke Hand zerfetzte, nährt Zweifel an der Einzeltätertheorie

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Ein von Franz Fuchs entworfener Originalbauplan einer Bombe. Vom selbstfabrizierten Sprengstoff fand die Polizei hingegen keine Spur. Wurde das hochbrisante Material von einem Komplizen geliefert?

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Wien/Graz - Hatte der Bombenattentäter Franz Fuchs doch Komplizen? Zehn Jahre nach dem Ende des ausländerfeindlichen Terrors des südsteirischen Vermessungstechnikers, bei dem zwischen 1993 und 1997 vier Menschen getötet und 15 zum Teil schwer verletzt worden waren, tauchen erneut massive Zweifel an der "Einzeltätertheorie" auf. Verantwortlich dafür ist eines der allerersten Opfer: Helmut Zilk (80), dem eine Briefbombe die linke Hand zerfetzt hatte.

In einem Interview mit der Wiener Stadtzeitung Falter sagte der Wiener Altbürgermeister, dass er ein Papier eines Beamten besitze, der damals mit den Ermittlungen betraut gewesen sei, und der heute behaupte, dass es auch andere Täter gegeben habe. "Der Beamte führt eine Menge von Beweisen an. Er wurde damals von den Ermittlungen abgezogen", wird Zilk zitiert.

"Reich der Fantasie"

Michael Sika, der zur Zeit der Terroranschläge das Amt des Generaldirektors für die öffentliche Sicherheit innehatte, verweist die Mehrtätertheorie ins "Reich der Fantasie". Sika zum Standard: "Noch monatelang nach der Verhaftung von Franz Fuchs haben wir akribisch nach etwaigen Komplizen gesucht. Ergebnislos. Der Mann hat alles allein geplant, gebaut und durchgezogen." Auch Kriminaltechniker und Psychologen seien zu diesem Schluss gekommen.

"Ich will aber nicht verhehlen, dass es bis heute auch Polizisten gibt, die glauben, dass Fuchs Teil eines Netzwerkes war", so der Sicherheitsgeneral in Ruhe. Fuchs selbst hatte sich nach seiner Verhaftung als "Rädchen" einer Organisation, die er "Salzburger Eidgenossenschaft Bajuwarische Befreiungsarmee" nannte, bezeichnet. Zu näheren Erklärungen kam es nicht, weil Fuchs 1999 durch lautes Schreien seinen Prozess boykottierte und sich ein Jahr später im Gefängnis erhängte. Schon bei seiner Verhaftung 1997 in seiner Heimatgemeinde Gralla hatte er sich mit einer selbstgebauten Bombe in die Luft sprengen wollen. Der Suizid misslang, aber die Wucht der Detonation riss ihm beide Unterarme weg.

Als möglichen Grund dafür, dass auch manche Polizisten immer noch die Mehrtäter-Theroie propagieren, nennt Sika "gekränkte Eitelkeit". Hintergrund: Die ermittelnde Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus (EBT) wurde 1995 wegen Erfolglosigkeit von dem Fall abgezogen und die "Soko Briefbomben" gegründet.

Chemiker gesucht

Der Grazer Rechtsanwalt Gerald Ruhri, der Fuchs im Prozess verteidigt hatte, ist hingegen nach wie vor davon überzeugt, dass es zumindest zwei Täter gegeben haben muss. "Fuchs war für die Elektronik zuständig, das belegen zahlreiche bei ihm gefundene Skizzen und Bauteile", erinnert sich Ruhri im Standard-Gespräch. Doch was die komplizierte und hochbrisante Chemie der Bomben (Silberfulminat, Nitroglycerin) betreffe, sei außer belanglosen Notizen nie etwas sichergestellt worden. Ruhri: "Es gab keine einzige chemische Spur." Aber für Polizei und Staatsanwaltschaft habe die Einzeltätertheorie den Vorteil gehabt, den (auch politisch) brisanten Akt endlich schließen zu können. Ruhris Schlussfolgerung: Die zweite, für Chemie zuständige Hälfte des Bombenhirns sei nach wie vor auf freiem Fuß. Sikas Gegenargument: "Und warum gab es dann bis heute keine Anschläge mehr?"

Im Innenministerium hieß es am Montag offiziell, es gebe derzeit keinen Anlass, den von Polizei und Justiz geschlossenen Akt wieder zu öffnen. (Michael Simoner, DER STANDARD Printausgabe, 12.6.2007)