Noch gibt es das Zwickl von Schwechater.

foto: schwechater
Meiner Aufgabe als politischer Journalist, der sich intensiv mit Militärfragen befasst, verdanke ich viele Kontakte zum Grünen Abfangjäger-Jäger Peter Pilz - bei dessen Namen ich mich gelegentlich vertippe, bitte um Vergebung. Das hängt vielleicht damit zusammen, dass der Abgeordnete mit mir die Leidenschaft für Pilsbiere teilt, vor allem für das, was in dieser Kategorie aus der Schwechater Brauerei kommt. Das heißt Hopfenperle und in der unfiltrierten Version Schwechater Zwickl.

Pilz ist nun aufgefallen, dass es immer schwieriger wird, dieses Bier zu bekommen. Im Leupold am Schottentor habe ich davon noch nichts bemerkt, dort trinke ich es vom Fass. Aber Pilz, der sein Bier auch gerne daheim trinkt, meint, dass die Kühlregale, in denen früher die markanten grünen Flaschen angeboten wurden, aus den Supermärkten verschwinden. Ich habe nicht mitgezählt und auch aus der BrauUnion gibt es kein entsprechendes Signal – im Gegenteil: diese Woche wird das Schwechater Zwickl wieder eine zentrale Rolle bei der Saisoneröffnung der Wiener Stegreifbühne (ehemals Tschauner) spielen. Es ist nun mal ein Traditionsbier.

Aber wenn das Schwechater Zwickl je in Gefahr kommen sollte, will Pilz alle parlamentarischen und außerparlamentarischen Möglichkeiten nutzen, um es zu erhalten. Danke sehr, das ist schön – aber es ist eine rare Initiative in Wien. Denn die meisten Wiener nehmen einfach als gegeben hin, dass es in Wien eben Schwechater Bier neben vielen anderen Marken gibt. Nice to have – aber nicht essenziell für die Bierkultur; es gibt ja so viel anderes gutes Bier.

Diese Haltung steht in seltsamem Kontrast zur Wahrnehmung der Schwechater Marke in Fachkreisen: Die Klein-Schwechater Brauerei hat immerhin einen Weltruf begründet, nicht zuletzt, indem sie Maßstäbe für die Brauindustrie gesetzt hat. Weltweit ist sie mit dem Begriff des Wiener Bierstils verbunden, den der damalige Brauereibesitzer Anton Dreher in den 1840er Jahren eingeführt hat: Ein rötlichbraunes untergäriges Bier mit vollem Körper und angenehmer, nicht zu aufdringlicher Hopfenbittere.

Dieser Bierstil galt als weltweiter Maßstab – auch wenn man zugeben muss, dass er vom Erfolg der etwa zur gleichen Zeit auf den Markt gebrachten helleren und deutlich herberen Bieren Pilsener Brauart nach und nach überschattet worden ist. So um 1900 war der Wiener Typus bereits rar geworden – und wenn ich Mitte der 1990er Jahre gefragt wurde, wo es denn in Wien Bier von der berühmten Wiener Art gebe, musste ich bedauernd antworten, dass man solches Bier zwar in Austin, Texas (in der inzwischen leider geschlossenen Waterloo Brewing Company wurde ein ausgezeichnetes Samuel Houston Vienna Lager gebraut), nicht aber in Wien bekommen könnte. Dabei sind amerikanische Brauer nach Wien gepilgert, um sich in Stadlau die Malzfabrik anzuschauen, wo tatsächlich noch geringe Mengen an Wiener Malz hergestellt werden, in das Sudhaus von Schwechat und ans Grab von Anton Dreher, das im Friedhof, einige hundert Meter neben seiner alten Wirkungsstätte liegt.

Es waren dann mutige Kleinbrauereien – Dank an Siggi Flitter vom Siebensternbräu und an Christian Pöpperl von der Brauerei Weitra – mit ihren bernsteinfarbenen Bieren, die den Markt für die Wiederentdeckung des in Schwechat erfundenen Stils geöffnet haben. Das Hadmar aus Weitra ist heute eines der meistverkauften „Wiener“ Biere der Welt, Ottakringer hat mit dem „Roten Zwickl“ ebenfalls ein Bier der Wiener Art auf den Markt gebracht.

Nur am Entstehungsort Schwechat gibt es diesen Stil heute nicht mehr – dafür eben (neben dem erwähnten Zwickl und der Hopfenperle) das helle Schwechater Lager, das die Farbe eines Pilsners, aber nicht seine Bittere hat. Das Steffl – die frühere Spitzenmarke des Brauhauses der Stadt Wien in Rannersdorf – ist mir schon lange nicht mehr untergekommen und ein bisschen teile ich die Befürchtung von Peter Pilz, dass die Schwechater Spezialitäten im Rahmen des großen Heineken-Konzerns keinen Platz mehr haben könnten. Aber das ist eben auch eine Frage der Marktwirtschaft: Wenn die Konsumenten ein Produkt nicht vehement nachfragen, fällt es dem Anbieter leicht, es vom Markt zu nehmen...(Conrad Seidl)