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Die Zentralbank wird in diesem Jahr nach Einschätzung vieler Volkswirte mindestens noch ein weiteres Mal die Zinsschraube anziehen.

Foto: AP/Pfaffenbach

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Grafik: APA
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Leitzins wie erwartet einen Viertelprozentpunkt angehoben. Der für die Refinanzierung der Geschäftsbanken maßgebliche Schlüsselzins steigt auf 4,0 von 3,75 Prozent, wie die EZB am Mittwoch in Frankfurt mitteilte. Mit dieser Entscheidung hatten alle gut 80 von Reuters befragten Bankenvolkswirte gerechnet.

Zuletzt hatte die EZB die Zinsen am 8. März 2007 erhöht. Einen höheren Leitzins als jetzt gab es im Euroraum zuletzt im September 2001. Nach den Terroranschlägen von New York zogen die großen Notenbanken der Welt damals an einem Strang und senkten die Zinsen. Auch die EZB war damals mit im Boot und entschied am 17. September 2001, den Leitzins von 4,25 Prozent um 50 Basispunkte auf 3,75 Prozent zu reduzieren.

Höhere Zinsen für Sparguthaben

Für die Konsumenten bedeutet das höhere Zinsen auf ihre Sparguthaben, aber auch tendenziell wieder teurere Kredite. Mehrere österreichische Banken haben am Mittwoch sofort nach dem EZB-Zinsbescheid weitere Sparbuchzinsanhebungen bekannt gegeben. Kritik an der EZB-Zinspolitik kam von Gewerkschaftsbund und Arbeiterkammer.

Die Zentralbank wird in diesem Jahr nach Einschätzung vieler Volkswirte mindestens noch ein weiteres Mal die Zinsschraube anziehen, da das Wachstum stärker als erwartet und die Inflationsgefahr noch nicht gebannt ist. Den Gipfel sehen einige erst bei 4,5 Prozent.

Wachstum und Inflation im Euro-Raum werden nach Einschätzung der Europäischen Zentralbank (EZB) in diesem Jahr höher ausfallen als bisher erwartet. 2007 werde das Bruttoinlandsprodukt in den 13 Euro-Ländern im Schnitt um 2,6 Prozent statt 2,5 Prozent zulegen, sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet am Mittwoch bei der Vorstellung der neuen Prognosen in Frankfurt. Wegen des starken Aufschwungs würden die Inflationsgefahren zunehmen. Die jährliche Teuerung könnte auch wegen der höheren Ölpreise 2007 wieder bei 2,0 Prozent liegen (bisher 1,8 Prozent). Die robuste Konjunktur und steigende Inflationsgefahren sprechen für Zinsanhebungen. Einhellige Kritik der Sozialpartner

Die österreichischen Sozialpartner sind sich einig in ihrer Kritik an der Erhöhung der Leitzinsen. Gewerkschaftsbund (ÖGB) und Arbeiterkammer (AK) kritisierten die heutige Entscheidung, die Leitzinsen für täglich fällige Einlagen von 3,75 auf 4 Prozent anzuheben, ebenso wie Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl. Die Politik steigender Zinsen belaste die Konjunktur, bremse Wachstum und gefährde Arbeitsplätze, lauten die Argumente.

"Ein Leitzinsniveau von vier Prozent kann nicht als 'moderat' bezeichnet werden", so WKÖ-Präsident Leitl in einer Aussendung. Zu Beginn der Währungsunion sei der durchschnittliche Leitzinssatz bei drei Prozent gelegen. Leitl hatte die EZB im Vorfeld de Sitzung zum "Umdenken" aufgerufen. Die Botschaft der EZB sei "angekommen", jetzt müsse ein Umdenken einsetzen, so der WKÖ-Präsident. Die Inflationsaussichten der EZB seien zu pessimistisch. Jetzt müsse "alles getan werden, um das aktuelle Wirtschaftswachstum zu stabilisieren". Die Zinssätze für Unternehmenskredite seien bereits um 0,3 Punkte angestiegen. Hohe Zinssätze würden den Außenwert des Euro steigern und die Exporteure belasten.

"Arbeitnehmerfeindlich"

Die bereits achte Zinserhöhung seit 2005 sei "arbeitnehmerfeindlich" und gefährde die noch ungefestigte Konjunktur, beklagte heute der Wiener AK-Direktor Werner Muhm. Für eine echte Erholung des Arbeitsmarktes sei ein mehrjähriges Wachstum auf derzeitigem Niveau sowie eine Belebung der nachhinkenden Inlandsnachfrage notwendig. Doch genau dieses Wachstum setze die EZB "mit ihrer unverständlichen Politik aufs Spiel", so Muhm. Die EZB müsse mehr gesamtwirtschaftliche Verantwortung übernehmen. Nicht jede moderate Lohnerhöhung dürfe gleich als Inflationsrisiko gesehen werden. Weitere Zinsschritte der EZB seien zusammen mit dem hohen Eurokurs "die größten Risiken für einen breiten Aufschwung".

Auch für den Leitenden ÖGB-Sekretär Richard Leutner ist "ein Umdenken der EZB notwendig". Denn "kaum gewinnt das Wirtschaftswachstum in Europa an Fahrt und es steigt damit die Aussicht, endlich die Arbeitsmarktsituation zu verbessern, setzt die EZB mit einer Zinssatzerhöhung ein falsches Signal". Eine Lohn-Preisspirale sei derzeit weder in Gang gesetzt noch in Sicht, und von der Lohnpolitik gehe schon bisher keine Inflationsgefahr in Europa aus, meint der ÖGB. Vielmehr habe die Arbeitnehmerseite zuletzt "ausreichend Beiträge gegen die Inflationsrisiken geleistet", wie sinkende Arbeitslosigkeit und Realeinkommensentwicklung zeigten. Die EZB müsse "endlich von ihrer eindimensional ausgerichteten Politik abgehen, bei der sie die Inflationsmarke als einzigen wirtschaftspolitischen Parameter ansieht, anstatt ein Bündels gleichgewichtiger Parameter zu bewerten". (APA)