Gläserner Ausschnitt aus der Schmuckwelt Marc Manns

Foto: Marc Mann
Foto: Marc Mann
Foto: Marc Mann

Porträtskizze des Designers

Foto: Marc Mann

Ein wenig Zeit muss man dem weichen Wasser der Elbe schon lassen. Ob die Glasstücke an ihrem Ufer eine Wodkaflasche waren, oder gar ein feiner Parfumflakon - alle Erinnerung daran hat die Elbe längst rund geschmirgelt. In steten Wellen. So lange, bis bloß noch eine matte Ahnung über den nass glänzenden Fundstücken liegt.

Ein wenig Zeit nimmt sich auch Marc Mann, wenn er nach genau solchen Scherben, die der Fluss irgendwann wieder freigesetzt hat, die Ufer der Elbe absucht. Rund geschliffene Glasfragmente, mit Restspuren einer eigenen Geschichte und überschrieben vom Rauschen des Flusses, schließlich adrett zum Collier aufgefädelt - recht elementar ist das Rohmaterial der Marc Mann'schen Schmuckkunst. Eine archaische Folie, wenn man so will. Ideal zugleich, um Kontraste und Tiefe zu erzielen.

"jeweLIGHTs"

Dass der Hamburger aus dem Treibsand der Zeit schöpfen mag, das beweisen denn auch die weiteren Rohstoffe zu seiner jüngsten Kollektion "jeweLIGHTs". Denn das Ufer der Elbe vor Hamburg - es könnte genauso gut eine Flohmarkt-Zeile sein. Eine, in der Marc Mann einmal alte, mundgeblasene Apothekerfläschchen fand, eine ganze Schublade voll, zirka aus 1850. Und es ist recht typisch für die Arbeit des Schmuckdesigners, was dann geschah: nämlich recht lange Zeit einmal gar nichts. Die Fläschchen mussten weiter liegen, zehn Jahre lang. Und warten, ähnlich wie die Scherben im Fluss. So lange, bis die Zeit endlich reif war. Das galt auch für die dritte Rohstoff-Varietät derselben Kollektion: jene antiken böhmischen und venezianischen Mini-Glasperlen, die ebenfalls ihre Geschichte ins Atelier mitgebracht hatten - die Geschichte von Europas alter Glasindustrie und der unregelmäßigen Feinheit, die sie im Rahmen der Miniaturisierung erfuhren.

Reif war die Zeit, als Marc Mann, den man sich nicht als romantischen Perlen-Auffädler vorzustellen hat, sondern als Gestalter, der im Laufe der Jahre immerhin mit Design-Koryphäen wie Ross Lovegrove, Marcel Wanders oder Ingo Maurer zusammengearbeitet hatte, das Motiv der böhmischen Kleinst-Glasperlen, nämlich das Thema Miniaturisierung, von noch ganz anderer Seite sah. Eine aufgelegte Sache, wenn man so will: Durch seine ursprüngliche Ausbildung als Wirtschaftsinformatiker setzt sich Marc Mann nicht nur seit jeher mit komplexen Systemzusammenhängen auseinander, sondern vor allem auch mit dem, was er selbst "Verknüpfen ungleicher Wissensgebiete und Technologien" nennt.

light emitting diodes

Ziemlich ungleich zu den von der Zeit gezeichneten Fundstücken aus altem Glas war etwa die aufkommende, weite Bereiche des Produktdesigns revolutionierende LED-Technik. Die kleinen Lämpchen der "light emitting diodes", die uns sukzessive eine neue Leuchtengeneration bescheren und überdies auch von innen illuminierte Kunststoffhocker, -schränke, -blumentöpfe, ja selbst leuchtendes Textil, setzen nun auch Glas aller Art ins richtige Licht. Klar, dass auch hier einige technische Detailarbeit vonnöten war: Die verwendeten Miniatur-Leuchtdioden samt den entsprechenden Schaltungen und elektrischen Kontaktführungen so kunstvoll in den Schmuck zu integrieren, dass sie als Lichtquelle unsichtbar bleiben, war trotzt Manns Vorkenntnissen aus dem Leuchtendesign keine simple Sache.

Also folgte akribische Tüftelarbeit. Marc Mann sichtete Stapel von Katalogen und die Sortimente von Modellbaugeschäften und Laborausrüstern. Um Beschädigungen an den hitzeempfindlichen Materialien und Hochleistungskunststoffen vorzubeugen, experimentierte er mit neuen Verfahren zur Herstellung elektrischer Kontakte, die ohne Lötverbindungen auskamen, und integrierte etwaige Batterien, soweit möglich, direkt in das Schmuckstück. Leistungsfähige Miniaturbatterien für Digitalkameras kamen dabei zur Anwendung, und schließlich war da auch noch jener besondere Lichtblick, den ihm das "Internationale Design Jahrbuch 2003/04" bescherte. "A poetic blend of old and new", schreibt der damalige Herausgeber Karim Rashid über den innovativen Leuchtschmuck "Light Blue Collar", eine Art kreativer Zwischenstopp auf der diffizilen Suche nach innovativem Leuchtschmuck.

"Glowworm"

Vor einigen Monaten ist nun die längst überfällige Hauptkollektion erschienen: Schleier aus Diamantlitzen, böhmischen Kleinperlen und LED etwa. Oder die Antik-Apothekerfläschchen-Kette "Glowworm" mit 9V-Batterie, die die Trägerin sanft illuminiert - wenn es denn sein soll bis in die Morgendämmerung hinein, eine einzige Batterieladung reicht dazu aus. Exotische Tiefseekreaturen, Glühwürmchen, gotische Kathedralenfenster - auch das zählt Marc Mann zu den Inspirationsquellen, und die weiter vorangeschrittene Miniaturisierung der LED-Technik ermöglichte es ihm dabei noch umfassender, Schmuck sonnenlos funkeln zu lassen, ohne die wahre Lichtquelle zu offenbaren. Alles Übrige ist da nur mehr eine Frage der Phantasie: Wer die venezianischen Perlen Jahrhunderte trug, wem die alten Arzneiflakons in allerletzter Minute eingeflößt werden konnten, wohin der betrunkene Werfer der Wodkaflasche an diesem Abend noch fuhr - es sind ganz zuletzt auch diese dunklen Facetten des Leuchtschmucks, die Marc Manns OEuvre strahlen lassen. (Robert Haidinger/Der Standard/rondo/08/06/2007)