Herbert Achternbusch macht keine Filme mehr.
Seine legendäre Wohnung in München wird zerstört.
Großverleger verweigern den Abdruck seiner Bücher.
Was ist los?
Cornelia Niedermeier und Claus Philipp besuchten den Künstler in seinem Haus im Waldviertel.

Eine Fahrt ins Herbert-Achternbusch-Land geht so: Zuerst holt einen der Waldviertler Verleger Richard Pils auf einem Parkplatz beim Schloss Rosenau (hinter Zwettl) ab, dann fährt man hinter Pils und seinem alten Kombi nach – über holprige Nebenstraßen, entlang derer schon einmal ein halbverfallenes Haus als Schauplatz für eine tibetanische, kürzlich bei Pils' Bibliothek der Provinz publizierte Achternbusch-Geschichte zweier Mönche herhalten durfte.

Und dann, plötzlich, zirka hinter dem sechzehnten Hügel, taucht der von Achternbusch bemalte und verzauberte alte Bauernhof auf. An der Wand prangt in großen Buchstaben zwischen überlebensgroß gezeichneten Hausgöttern: Denn der Himmel kennt keine Gnade. Und Achternbusch fragt in der (zum überwältigenden "Mongolenraum" umgestalteten) alten Bauernstube: "Also, um was geht es eigentlich?"

Das ist natürlich ein Understatement: Ab Herbst erscheint bei der Bibliothek der Provinz eine Achternbusch-Gesamtausgabe. Des weiteren droht dem Künstler in anderen Bereichen eine Art von Verschwinden: Seine legendäre, ähnlich wie der Waldviertler Hof gestaltete Wohnung in der Münchner Burggasse wird vernichtet. Der Künstler, lakonisch: "So ist München. Die grinsen dort am nettesten, wenn sie etwas kaputtmachen."

Und, Tiefschlag Nummer zwei: Seit drei Jahren bzw. seit seiner furiosen Münchner Gegenwartsfarce Neue Freiheit keine Jobs macht Achternbusch keine Filme mehr. Man könnte, frei nach einem Buch von ihm sagen: Es ist keiner da – Produzenten und TV-Redakteure weigern sich mittlerweile, ihn zu finanzieren. Das Publikum blieb zunehmend fern, und Achternbusch sieht es auch nicht ein, sich vor dem Hintergrund dieses Desinteresses weiter zu entwürdigen.

"Der Münchner Großproduzent Bernd Eichinger ist an die Börse gegangen. Da hat mir jemand geraten, ich soll das auch machen, als Happening: Ein paar ganz arme Hunde haben mir einen Zwanziger geschickt, oder einen Fünfziger. Das habe ich auch nie angerührt, dieses Geld liegt bei mir daheim – für die Memoiren."

Also malt er, bevorzugt in Serie: Zuletzt etwa einen gewaltigen Zyklus antiker Mythenadaptionen, in dem sich auch sein gegenwärtiges Lieblingsbild befindet: "Das ist nach einer Schlacht bei den Griechen. Zwei Kämpfer tragen ihren toten Freund auf dem Schild weg. Und die sind alle ich. Der Filmemacher stirbt, aber der Maler und der Schriftsteller, die tragen ihn weg. Also entsteht immer noch ein Bild."

Für den Autor Achternbusch ist die Bibliothek der Provinz mittlerweile ein "Heimathafen" geworden. Seinen Verleger fragt er: "Wie sind wir eigentlich zusammengekommen?" Pils: "Du hast mir geschrieben. Ich hätte nie gewagt, dich zu fragen. Der Verleger ist ja schüchtern."

Lieblingszahl 16

Aber risikofreudig. Richard Pils wagt mehr als die Großverlage, die Achternbusch-Publikationen derzeit ablehnen. Ab Herbst erscheint die große Werk-Edition: "Vier Schuber à vier Bände. 16 insgesamt – meine Lieblingszahl", meint Achternbusch dazu. Er liest seine Texte jetzt noch einmal, und manchmal kürzt er sie auch drastisch, verweist aber einmal mehr auf das Prozesshafte seiner Arbeit, bei der er nicht sagen kann und will: "Das ist mir geglückt oder missglückt. Ich kann nur sagen: Da war ich noch nicht soweit. Außerdem will ich ja nie Kunst oder sonst etwas ,Rundes' machen, sondern das, was gerade kommt."

Immer wieder habe er also versucht, "das von mir stehen zu lassen, was ich an einem Tag so schreiben kann". Kleine Dramolette, wie er sie jetzt gelegentlich in Tageszeitungen veröffentlicht, "schaffe ich leicht an einem Tag. Das ist wie bei Kafka. Alles, was der an einem Tag geschrieben hat, war für ihn gültig. Und alles, wo er länger hingeschrieben – hingedoktert – hat, war ihm suspekt. Herbert, sag' ich mir immer, du bist ein Kafka-Schüler!"

Wenn der Autor und der Maler den Filmemacher Achternbusch "hinaustragen" – wo würde dann das Herz seines Work-in-Progress liegen? "Also, wenn das Herz etwas Sentimentales ist, dann ist es im Film. Wenn das Herz aber etwas ist, das über allem steht, dann ist es bei der Schriftstellerei. Und wenn es das Herz ist, das man einfach so vermalt, dann ist es die Malerei. Das Herz ist nicht das Herz. Es ist immer anders."

Also vielleicht doch noch ein Film? Und wenn, wäre es der lustigste oder der traurigste aller Achternbusch-Filme?

"Wer weiß. Wenn alle Idioten sind, gibt es keine Idioten mehr. Es ist mir vor einigen Monaten zum ersten Mal passiert, dass ich eine Filmidee in ein Theaterstück umgewandelt habe. Zwei gehen durch München und sehen München nicht mehr. Die sehen gar nichts mehr. Alles ist grau. Das hätte in La Mancha gedreht werden sollen, in der Dämmerung – Don Quijote und Sancho Pansa. Und Sancho Pansa sagt immer: ,Lass uns doch wieder ein Bier trinken.' Und Don Quijote antwortet: ,Nein, weil wenn wir wieder ein Bier trinken, dann haben wir wieder Wirklichkeit.' Das war das erste Mal, dass ich ein Drehbuch in ein Theaterstück umgeschrieben habe. Und das war für mich auch ein Zeichen: Ich bin jetzt willens, das Filmen wirklich sein zu lassen."

TIPP:
Bilder von Herbert Achternbusch werden von Freitag, 11. 8. (20 Uhr), bis 13. 8. beim Poetenfest auf Schloss Raabs an der Thaya präsentiert.
Sein jüngstes Dramolett Fleisch Unseld lesen Sie am Samstag im STANDARD-ALBUM.

(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7. 8. 2000)