Geschiedenes Ehepaar aus Detroit, das sich und seiner Lehre samt Erscheinungskonzept seit einem Jahrzehnt konsequent treu bleibt: Jack und Meg White.

Foto: Edel
Wien - Die Wahl der Mittel machte den Unterschied. Immerhin trat die US-Band The White Stripes bei ihrem Auftauchen vor zehn Jahren mit einem kathartischen Gegenentwurf zu dem sich gerade in seinen letzten Blähungen ergehenden Post-Grunge - Nirvana und die Folgen - an.

Katharsis bedeutete die Reduktion auf Gitarre und Schlagzeug. Das geschiedene Ehepaar aus Detroit, Michigan, das lange Zeit medial mit dem verbotenen Bruder-Schwester-Pfuigack kokettierte, entschied sich damit nicht nur formal für einen radikalen Schritt, es verweigerte sich auch leidenschaftlich allen Errungenschaften der modernen Rockmusik. Stattdessen gingen die Authentizitätsfanatiker Meg und Jack zurück zu ihren Anfängen, adaptierten alten Country-Blues sowie Rock'n'Roll und rangen diesen scheinbar restlos geplünderten Keimzellen neue, abenteuerlich klingende Seiten ab. Neu wie: lange nicht gehört.

Denn diesen Weg beschritten vor den Stripes natürlich auch andere: die Gibson Brothers, The Gun Club, The Cramps sowie schwarze Bluesmusiker wie Junior Kimbrough, die sich erst gar nie von diesen Kraftquellen entfernt hatten. Doch die White Stripes hatten das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein: Das Rockrevival zur Jahrtausendwende spielte ihre Musik! Die Inszenierung der Band, mit der sie auch die Klaviatur zeitgenössischer Marketingformen spielten, brachte der seltsamen Konstellation gehörige Aufmerksamkeit ein.

Konsequent analog

Ein striktes Erscheinungskonzept in den Farben Rot und Weiß (und Schwarz) zeitigte ebenso Wirkung wie der Rest dieser vergangenheitsverliebten Band: Jack Whites Gitarren sind mindestens doppelt so alt wie er, für Plattenaufnahmen geht man in alte und legendäre Studios (etwa Ardent in Memphis), verwendet selbstverständlich nur alte, analoge Technologie, boykottiert fast programmatisch alles Neue - oder was eben die "wahre Lehre" in Gefahr bringen könnte. Sogar die den Journalisten zur Verfügung gestellten Alben kamen als Vinylplatten und nicht, wie üblich, als CD-Judassilberlinge.

Derart konsequent machte man schließlich Weltkarriere, die für das Duo 2003 mit dem Album Elephant und Songs wie Seven Nation Army und The Hardest Button To Button begonnen hat. Es folgte 2005 das Album Get Behind Me Satan, auf dem sich Jack Whites Stimme deutlich in Richtung des kehlig-hohen Gesangs von Robert Plant (Led Zeppelin) verschoben hatte, und nächste Woche wird Icky Thump veröffentlicht.

Dieses Album verdeutlicht zweierlei: einmal, dass der originäre Arbeitsansatz der Stripes in manchen Stücken immer noch perfekt funktioniert. Etwa im Titelstück, in dem Jacks Gitarre so bissig und gefährlich klirrt, wie Rock'n'Roll nur klingen kann. Das die Grundmauern ganzer Reihenhaussiedlungen erschütternde Schlagzeugspiel von Meg White besorgt den Rest. Andererseits wiederholt sich die Band wegen ihrer Verweigerung formaler Veränderung zusehends.

Aber auch wenn die Stripes abseits des Gitarre-Drums-Dogmas Mut beweisen, bedeutet das nicht, dass derlei Versuche gelingen: Whites Gesang ist weiterhin stark an Plant orientiert. Es wird also zu tierisch kreischenden Gitarren tierisch kreischend gesungen. Soll sein. Aber den Led-Zeppelin-Bezug unterstreicht leider auch ein Stück wie Prickly Thorn, But Sweetly Worn, eine schottische Weise auf Sackpfeifenbasis, also mit einem gedudelten Sack, die einem auch genau dorthin geht.

Gelungener ist da der Einsatz eines hysterischen Mariachi-Horns - gespielt von Regulo Aldama, den die Band in einem mexikanischen Restaurant in Nashville aufgegabelt hat -, der einer Interpretation von Conquest Mehrwert verleiht. Einem Stück, bekannt gemacht von der Country-Pop-Sängerin Patti Page. Ebenfalls gelungen: der Einsatz einer Hammond-Orgel in dem Stück I'm Slowly Turning Into You, das White für ein Video des Filmemachers Michel Gondry geschrieben hat.

Der Rest ist die bekannte, grob bis brutal zusammengezimmerte Hausmarke, die nach einem Jahrzehnt der immergleichen Strapazen eine etwas liebevollere Pflege vertragen könnte. Wie einfach das geht, hat Jack White zuletzt mit der vierköpfigen Band Raconteurs eindrucksvoll bewiesen. Eine breitere Form bedeutet schließlich nicht automatisch "Verrat" an der Sache. (Karl Fluch, DER STANDARD, Printausgabe, 04.06.2007)