Industriellen-Generalsekretär Markus Beyrer: Hält die Ausländerpolitik der ÖVP für zu restriktiv und wünscht sich ein fremdenfreundlicheres Klima im Land

Foto: STANDARD\ Fischer
Egal ob Kindergeld, Schulpolitik oder Integration: Die Industriellenvereinigung lässt die ÖVP derzeit gesellschaftspolitisch alt aussehen. Nun wehrt sich IV-General Markus Beyrer auch gegen den restriktiven Ausländerkurs von Missethon & Co - von Barbara Tóth

***

Wien - Es ist ein Satz, der so auch von einem Grünen stammen könnte: "Es ist schädlich, wenn in der Gesellschaft eine Stimmung herrscht, die Menschen, die zu uns wollen, das Gefühl gibt, dass sie nicht willkommen sind", sagt Markus Beyrer im Standard-Gespräch, "und wir sind über keine Aussage froh, die ein solches Klima begünstigen."

Missethon forderte "Zuwanderungsstopp"

Der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV) spricht es zwar nicht offen aus, aber seine Worte richten sich auch gegen jene Exponenten der Volkspartei, die zuletzt einen scharfen Kurs in der Ausländerpolitik propagiert haben - allen voran ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon. Dieser hatte zuletzt einen "Zuwanderungsstopp" verlangt und davor gewarnt, dass wir "irgendwann türkisch sein werden".

Österreich war immer ein Zuwanderungsland

Er löste damit eine heftige Debatte innerhalb seiner Partei aus. Der Wirtschaftsflügel opponierte prompt gegen den "Sicherheitsflügel", also jene, die das Thema Migration "in der Vergangenheit zu sehr aus der Sicherheitsperspektive diskutiert" haben, wie Wirtschaftsbund-Generalsekretär Reinhold Mitterlehner es formuliert. ÖVP-Chef Wilhelm Molterer (ÖVP) erteilt dem Wunsch des ÖVP-Wirtschaftsflügels nach einem Kurswechsel in der Ausländerpolitik eine kühle Abfuhr. "Die Wirtschaft kann Wünsche äußern, aber nicht alleine die VP-Politik bestimmen". "Österreich war immer ein Zuwanderungsland und ist eines. Das sollte man nicht leugnen, sondern aktiv und positiv damit umgehen", lautet die Antwort Beyrers.

Wie mit Ausländer umgehen - das ist nicht das einzige Thema, bei der die Industrievertreter vom Schwarzenbergplatz ihre ideologischen Vettern in der ÖVP-Parteizentrale in der Lichtenfelsgasse derzeit alt aussehen lassen. Auch beim Thema Kindergeld hat die IV die ÖVP - je nach Standort des Betrachters - links überholt. In seltener Allianz mit der Arbeiterkammer (und der SPÖ und den Grünen) verlangt sie beharrlich eine weitere Flexibilisierung über jene hinaus, die im Koalitionsübereinkommen ohnehin verankert ist.

Neue Allianzen

Auch beim zweiten ideologisch heiß umkämpften Thema, der Schule, ist die Industrie nicht auf ÖVP-, sondern auf Rot-Grün-Linie. Im Gegensatz zu Missethon und ÖVP-Chef Wilhelm Molterer zählt sie zu den Verfechtern eines verpflichtendes Vorschuljahres.

Verantwortlich für diese Entwicklung dürfte nicht nur Beyrer sein. Der Wirtschaftskämmerer startete seine Karriere als wirtschaftspolitischer Berater Wolfgang Schüssels und werkt seit August 2004 als Generalsekretär der IV. Auch die Handschrift von Christian Friesl, ehemals Präsident der Katholischen Aktion, seit 2001 für die gesellschaftspolitische Ausrichtung der IV zuständig, ist erkennbar. Friesl organisiert die "IV-Fokusgruppen", die jeweils unter der Ägide eines prominenten Industriellen neue Positionen zum Thema Schule und Migration erarbeiten. Als nächstes steht das Thema Universität an - geleitet wird sie von OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer.

IV versucht Image wieder aufzupolieren

Sachdebatte vor parteipolitischem Geplänkel - mit dieser Strategie versucht die IV ihr Image wieder aufzupolieren.

Unter Schwarz-Blau machten die Herren (Damen sind noch in der Minderzahl) vor allem mit ihrer Förderung für die Homepage des Finanzministers Karl-Heinz Grasser von sich reden. Dieses Kapitel hat sich inzwischen erledigt. karlheinzgrasser.at ist seit Kurzem offline. (Barbara Tóth\DER STANDARD Printausgabe 31.5.2007)