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Moskau ist seit 1999 die weltweit bestperformende Börse, hinkt in diesem Jahr den Top-Performern der meisten Ostbörsen jedoch deutlich hinterher.

Foto: Reuters/Sergei Karpukhin
Ein Investment in die Börsen Mittel-, Südost- und Osteuropas erscheint nach den zuletzt weit überdurchschnittlichen Gewinnen sehr verlockend. Zuwächse von mehr als siebzig Prozent in einem Zeitraum von einem Jahr (z. B. Russland 2006) sprechen für sich.

Doch es lauern auch Fallen in Form von Intransparenz bei Unternehmensnachrichten, Bilanzierungsmethoden, die mitunter weitab von internationalen Standards liegen, sowie die teils starke Abhängigkeit von Rohstoffen. "Investitionen in einzelne Aktien sollten vom Privatanleger, der sich nicht sehr gut auskennt, eher vermieden werden, da das Risiko zu groß ist", rät Andreas Schiller, Analyst bei der Raiffeisen Zentralbank (RZB).

Die erfolgsverwöhnten Ostbörsen legen derzeit in der Mehrzahl ohnehin eine leichte Verschnaufpause ein. So wiesen sie im ersten Quartal 2007 eine gemischte Performance auf. Während sich der ungarische (-5,7 %) und der russische (0,7 %) Aktienmarkt schwach entwickelten, brannten die kroatischen Investoren ein wahres Kursfeuerwerk (34,6 %) ab. Ein Blick über den bisherigen Jahresverlauf zeigt den ungarischen Aktienindex BUX mit einem Anstieg von 4,2 Prozent, den polnischen WIG 20 mit rund sieben Prozent und den tschechischen PX mit einem Plus von 15,6 Prozent. Der russische RTS-Index dagegen, der konstante Highflyer unter den Börsen, "schaffte" lediglich ein Minus von 3,2 Prozent. Im Gegensatz zur lahmenden Moskauer Börse verzeichnete die Börse Kiew einen rasanten Kursgewinn von über 60 Prozent seit Jahresbeginn. Noch besser schnitt bisher nur die Börse Montenegro mit +122 Prozent in Osteuropa ab.

"Soft landing"-Szenario

Was das zweite Quartal betrifft, ist die Gefahr aus Übersee (Stichwort Schwäche des US-Immobiliensektors) noch nicht vollständig gebannt. Allerdings sprechen für das "Soft landing"-Szenario der RZB-Experten mittlerweile wieder ansehnliche Niveaus bei wichtigen Vorlaufindikatoren (z. B. ISM-Indizes). Demnach sollte ein wieder anziehendes US-Wachstum, solide Gewinnwachstumsraten bei gleichzeitig weiterhin moderaten Bewertungsniveaus und eine anhaltend starke M&A-Aktivität in den kommenden Monaten zu einer positiven Entwicklung an den internationalen Aktienmärkten führen. In Bezug auf die Ostbörsen sollte dies Schiller zufolge ein gesundes Fundament darstellen, worauf die sehr guten lokalen Rahmenbedingungen (Ausnahme: Ungarn) bauen können. Dementsprechend sollen im weiteren Verlauf des zweiten Halbjahres nicht nur die teilweise noch vorhandenen Kursrückgänge (z. B. Russland) ausgeglichen, sondern durchaus ansehnliche Kursanstiege verbucht werden können.

Musterschüler Slowenien

Sehr attraktiv erscheint gegenwärtig der slowenische Aktienmarkt. Das jüngste Euro-Währungsmitglied erfüllt von I wie Inflation über N wie Neuverschuldung bis W wie Währungsstabilität alle EU- Beitrittskriterien. Die Börse in Ljubljana zeigt sich mit einem Anstieg von knapp 45 Prozent seit Jahresbeginn auch dementsprechend freundlich. Nur im Jahr 2005 gab der breiter gefasste SBI 20 Index um 5,6 Prozent nach. In der langfristigen Perspektive überzeugte die Börse aber fast in jedem Jahr mit zweistelligen Zuwächsen.

Die Landeswährung Leu, die 2006 eine der sich am besten entwickelnden Osteuropa-Währungen war, wird den 21,6 Millionen Bewohnern Rumäniens noch eine Weile erhalten bleiben, auch wenn der Karpatenstaat jetzt zur "europäischen Familie" gehört. Noch wesentlich besser als die Valuta entwickelte sich aber der BET-Index der Börse Bukarest. Er hat sich dank der EU-Konvergenz- und EU-Beitrittsfantasie in den vergangenen drei Jahren in Euro gerechnet fast verdreifacht. Sogar der boomende russische Aktienmarkt wurde abgehängt.

Die Arbeitslosenrate ist mit 5,6 Prozent relativ niedrig, die jährliche Teuerungsrate - eineinhalb Jahrzehnte lang zweistellig - lag Ende 2006 "nur" noch bei 4,5 Prozent. Auf mehr als 320 Prozent summiert sich inzwischen der Gewinn für Anleger, die sich vor drei Jahren an der Börse in Bukarest engagiert haben. Die kurze, aber markante Kurskorrektur an den internationalen Börseschauplätzen im ersten Quartal 2007 hat der BET fast unbeschadet überstanden. Der Grund dafür war unter anderem, dass tiefere Kursniveaus sofort als Einstiegsmarken genutzt wurden und infolgedessen ein sofortiger Rebound zu beobachten war. Im Laufe des Jahres sollte der rumänische Aktienmarkt laut RZB- Schiller von weiteren ausländischen Kapitalzuflüssen profitieren. Außerdem plant die Regierung weitere Staatsanteile des Ölriesen Petrom als auch des Versorger- Unternehmens Transelectrica abzugeben und weitere Unternehmen an die Börse zu bringen. Besagte Maßnahmen sollten sich langfristig positiv auf die Liquidität des Börseplatzes auswirken.

Risikoappetit

Im Vergleich zu den etablierten Westmärkten sind die osteuropäischen Börsen generell klein und eng. Dementsprechend reichen hier schon relativ geringe Volumina aus, um starke Kurssprünge herbeizuführen, Investoren zeigen gleichzeitig mehr Risikoappetit. Schiller: "Wenn aufgrund steigender US-Zinsen die Risikoaversion der Investoren zunimmt, kann es schon einmal dazu führen, dass die Investoren Gewinne lukrieren. In der Folge kommt es zu Kapitalabflüssen, was die Aktienkurse aufgrund der Enge der Märkte stärker belastet."

Der MIB-Index der Minibörse Makedonien stieg in diesem Jahr um 75 Prozent, der NEX 20 in Montenegro um 74 Prozent. Die Börse in Tiflis (Georgien) brachte es sogar auf + 85 Prozent, wobei der einzige liquide Wert die Bank of Georgia ist. Die Liquidität ist an diesen Börsen noch sehr dünn und längst nicht mit dem Schwergewicht Moskau mit einer Marktkapitalisierung von einer Billion US-Dollar und einem täglichen Handelsumsatz von einer Milliarde US-Dollar vergleichbar.

Moskau führt Ranking an

Moskau ist seit 1999 die weltweit bestperformende Börse, hinkt in diesem Jahr den Top-Performern der meisten Ostbörsen jedoch deutlich hinterher. Ende März notierte der Leitindex RTS 3,2 Prozent niedriger als zu Jahresbeginn. Dies liegt einerseits an den schlechten Quartalsergebnissen der russischen Energiewerte, die den Markt beherrschen; andererseits belasten aber auch die letzten Mega- Kapitalerhöhungen und das IPO-Fieber. Um das Kapital aus den Börsegängen absorbieren zu können, müssen westliche Institutionelle andere Aktien verkaufen, was den Markt belastet. Dennoch sollte man den Markt in Moskau keinesfalls abschreiben, so Experte Schiller, der Russland bis Jahresende im Ranking an erster Stelle vor Polen und Tschechien sieht: "Die Risikobereitschaft muss aber für russische Anleger noch größer sein als bei den Börsen Ost- und Mitteleuropas. Wie der Fall Yukos deutlich gezeigt hat, kann die politische Einflussnahme überaus markant sein. Allerdings erwarten wir nicht, dass sich dies in absehbarer Zeit wiederholen wird."

Der jüngste, sprunghafte Anstieg des Ölpreises erzeugte zuletzt wieder eine deutlich positivere Marktstimmung. Unter anderem würde die "Risikoprämie Iran" im zweiten Quartal wieder für einen Ölpreis von durchschnittlich mehr als 60 US- Dollar/Barrel, im zweiten Halbjahr sollten erneut Ölpreisspitzen von 70 US- Dollar/Barrel erreicht werden, so die RZB-Prognose.

Etwas abgeschlagen liegt Ungarn, wo der BUX zwar nach einem sehr schwachen ersten Quartal im zweiten unverhofft aufgeholt hat. Ein Hinweis darauf, dass sich die Investoren bereits auf einen zu erwartenden Aufschwung einstellen, wiewohl die Wirtschaft immer noch unter hausgemachten Problemen leidet: Fiskalpolitische Maßnahmen ziehen das Wirtschaftswachstum in Mitleidenschaft, neue Steuern für Unternehmen bremsen die Investitionslaune.

In ihrem "Szenario 2020" sieht die RZB noch enormes Entwicklungspotenzial. Wolfgang Ernst, volkswirtschaftlicher Analyst für Osteuropa: "Für die CEE-Länder (Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei und Slowenien) wird eine nahezu doppelt so hohe durchschnittliche Wachstumsrate als für die EU-12 prognostiziert. Für die SEE-Länder (Rumänien, Bulgarien, Kroatien und baltischer Raum) werden sogar noch leicht höhere Wachstumsaussichten gesehen. (Sigrid Schamall)