Manuela Gretkowska: Gegen das Regierungsideal von der Frau, die zu Hause bleibt und vier Kinder bekommt.

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Wien – "Von der Linken werde ich Betonkatholikin genannt, von der Rechten Kindermörderin. Und die ganze Zeit über bin ich als Skandalautorin bezeichnet worden." Feindbilder sehen anders aus. Manuela Gretkowska ist eine zierliche Erscheinung, sie spricht leise und bedachtsam. Wie würde sie sich selbst charakterisieren? "Ich stehe für die christlichen Werte. Aber das ist nur meine Sache und die meines Beichtvaters."

Den Ruf der Skandalautorin erwarb die 1964 in Lodz geborene Manuela Gretkowska mit Büchern teils provokant-erotischen Inhalts. Thema: das Frausein in Polen. Am bekanntesten ist ihr Roman "Polka" ("Die Polin"), ein Schwangerschaftstagebuch. Zitat aus dem Roman: "Bei uns im Bad hängt von der Wäscheleine das Ministrantenhemd meines Neffen. Daneben mein Spitzenslip. Neben dem reinweißen Chorhemd ist jedes Loch in der Spitzenstickerei eine Perversion." Polka heißt auch die Tochter, die Gretkowska mit ihrem schwedischen Mann hat. Am Donnerstagabend trat die Autorin und Neo-Politikerin im Literatur-BüroCafé im Wiener Museumsquartier im Rahmen von "Achtung! Umpolen! auf.

Als Gretkowska im Vorjahr daran ging, Polens erste Frauenpartei zu gründen, wurde sie noch vielfach belächelt. Inzwischen ist den Politikern der etablierten Parteien das Lachen wohl vergangen. Im vergangenen Februar wurde die "Partia Kobiet" (Frauenpartei) offiziell registriert. In einer Umfrage im April lag sie mit rund elf Prozent Zustimmung bereits an dritter Stelle hinter der rechtsnationalen Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) und der oppositionellen rechtsliberalen Bürgerplattform (PO). 60 Prozent der befragten Polinnen wollen die Partei wählen.

Den Anstoß zur Parteigründung gaben mehrere Ereignisse, wie Gretkowska im Gespräch mit dem Standard schildert. Im Vorjahr brachte sich in Danzig ein Mädchen um, nachdem es in der Schulklasse von Burschen belästigt worden war – die anderen Mädchen hatten dazu geschwiegen.

Dann kam ein Vorstoß von Bildungsminister Roman Giertych, Chef der nationalklerikalen Regierungspartei "Liga Polnischer Familien" (LPR), zur Verschärfung des ohnehin europaweit restriktivsten Abtreibungsgesetzes. Die – inzwischen gescheiterte – Initiative hätte ein Abtreibungsverbot etwa auch im Fall einer Vergewaltigung gebracht. "Für mich als Schriftstellerin war das ein Symbol. So wie die Mädchen in dieser Klasse nicht reagiert haben, haben auch die Frauen gegen diesen Gesetzesentwurf nicht protestiert."

Trotz der großen Zustimmung zu ihrer Partei will Gretkowska das Thema Abtreibung vorerst nicht anrühren. 70 Prozent aller Polen seien für das bestehende Abtreibungsrecht: "Wenn man die Polinnen gegeneinander aufbringen will, spricht man über die Abtreibung. Deshalb diskutieren wir über das bestehende Gesetz nicht."

Vorrangige Ziele der Partei seien mehr Aufklärung der Frauen, kostenlose Verhütungsmittel, Sozialhilfe für alleinstehende Frauen und generell eine bessere Absicherung der Frauen von der Geburt der Kinder bis zur Pension. Das Lohnniveau der Frauen, das derzeit durchschnittlich 15 Prozent unter jenem für Männer bei gleicher Qualifikation liege, müsse gehoben werden. Dabei seien Frauen generell besser ausgebildet als Männer. Der Staat müsse die Voraussetzungen dafür schaffen, dass mehr Frauen ins Berufsleben einsteigen können. Stattdessen propagiere die Rechtsregierung "das Idealbild von der Frau, die zu Hause bleibt und vier Kinder bekommt".

Ob ihre Partei eine Regierungsbeteiligung anstrebt, wenn sie bei den nächsten Wahlen ins Parlament kommt, oder ihre Ziele durch fallweise parlamentarische Unterstützung bei frauenfreundlichen Projekten durchsetzen will, weiß Manuela Gretkowska noch nicht. Jedenfalls hätten sowohl linke wie rechte Regierungen die Rechte der Frauen eingeschränkt, aus unterschiedlichen Motiven. Und die Polen hätten bisher nur die Wahl gehabt "zwischen der postkommunistischen Mafia und primitiven Rechtspopulisten". (Josef Kirchengast/DER STANDARD, Printausgabe, 25.5.2007)