Manche Speisen aus "Kaiseki" sind so einfach, dass ein Hobbykoch sie locker nachkochen könnte - vorausgesetzt, er käme an Zutaten von solch erhabener Qualität und Frische heran, wie sie für diese raffinierteste Form japanischer Küchenkunst reserviert sind. Nur, ein Gericht der Kaiseki-Küche hätte er damit dennoch nicht geschaffen: Die grazile Präsentation, die Auswahl des Geschirrs, die sparsam eingesetzten, dekorativen Elemente (die aber das Gericht erst in den entsprechenden kontemplativen Zusammenhang stellen), sind gleich wichtig wie der Geschmack, um eine Speise "Kaiseki" werden zu lassen.

Foto: Masahi Kuma

"Kaiseki heißt, die Jahreszeiten in Essen zu verwandeln", erklärt Yoshihiro Murata (unten links), der das Restaurant Kikunoi in Japans einstiger Kaiserstadt Kioto in dritter Generation führt. Er entstammt einer Dynastie von Teezeremonien-Meistern. Aus dieser höchst elaborierten, nach strengen Regeln und unter großer Selbstbeherrschung im Knien zu vollführenden Zeremonie - eigentlich eine Form der Zen-Meditation mit dem Nebeneffekt, immer wieder auch ein paar Schluck allerfeinsten grünen Tees zu kosten und den einen oder anderen fein ziselierten Happen gereicht zu bekommen, entwickelte sich über die Jahrhunderte die Kunst der Kaiseki-Küche.

Foto: Masahi Kuma

Geschmack, Form und Präsentation von Kaiseki-Speisen variieren stets ein saisonales Thema - etwa das Reifen der grünen japanischen Pflaumen im Juni. Murata pochiert sie schlicht in Weißwein (in einem Kupfertopf, weil sie so ihr leuchtendes Grün behalten), setzt "Regentropfen" aus Zuckersirup dazu, serviert sie in antikem Baccarat-Kristall und will damit bei seinen Gästen Erinnerungen an Spaziergänge in Obstgärten bei Sommerregen hervorrufen. Wenn man's weiß, sollte das nicht weiter schwerfallen, die entrückte Schönheit der Präsentation und puristische Konzentration auf nichts als die Frucht aber wirken auch so auf geradezu hypnotische Weise.

Foto: Masahi Kuma

Ferran Adrià hat ein Vorwort beigesteuert, in dem er seine Bewunderung für Muratas Werk bekundet - gut so. Denn das Essen, das unter den Händen des Meisters entsteht, ist eine Offenbarung: Anmutig anzusehen, allerfeinst hergerichtet, aber niemals aufgemascherlt oder modisch. Und so zwingend kombiniert, dass man schon beim Anschauen eine Ahnung bekommt, wie fantastisch sein Essen schmecken muss. Das Kikunoi hat zwei Filialen, das hilft unsereinem aber wenig: eine ist ebenfalls in Kioto, die andere in Tokio. Severin Corti Q

Foto: Masahi Kuma

Yoshihiro Murata: Kaiseki - The Exquisite Cuisine of Kyoto's Kikunoi Restaurant, Fotos von Masahi Kuma, 192 S., Kodansha International London, ca. € 40

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