Elina Garanca lacht - und dies zu Recht: Sie hat Qualität und auch einen CD-Vertrag.

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Im vokalen Bereich bringt das eine Fülle neuer Namen, die natürlich erst zu beweisen haben, dass man sie kennen muss.


Der gute alte Dominoeffekt - es gibt ihn auch in der CD-Branche. Schließlich sind zwar längst eher geizige Zeiten angebrochen, es wird produziert, aber nicht mehr sonderlich viel. Doch ereignen sich etwa Einzelerfolge wie jener von Sopranistin Anna Netrebko, fühlen sich Firmen ermuntert, ähnliche Talente zu finden, und schließen mit Neulingen verstärkt Verträge ab - es ist dann plötzlich mehr möglich, als die Lage der Branche vermuten lassen würde; es entsteht ein Trend, eine kleine Lawine kommt ins Rollen. Viele, die davon profitieren, müssen natürlich erst beweisen, dass sie die Substanz haben, jene in sie investierte Werbung zu rechtfertigen. Bei Elina Garanca ist dies allerdings mit Sicherheit der Fall. Wer sie an der Staatsoper gehört hat - etwa beim "Rosenkavalier" - konnte nur staunen über diese exquisite Mischung aus vokaler Sicherheit und Klangaura, diese Fähigkeit, das Vokale mit dem Schauspielerischen elegant zu vereinen.

Die Deutsche Grammophon hat bei Garanca, die vorher bei Virgin (also EMI) war, das Rennen gemacht und mit Aria Cantilena nun das CD-Debüt als Demonstrationsstück der Vielfalt angelegt. Da können Dramatik, Lyrik und Koloraturkünste studiert werden; zwischen Offenbach, Strauss, Massenet und Rossini zeigt Garanca profundes Können, begleitet von der Staatskapelle Dresden unter Fabio Luisi. Die 30-jährige Dame aus Lettland wird noch viel vokale Freude bereiten, nur hetzen lassen sollte sie sich nicht.

Die Deutsche Grammophon hatte bei Netrebko und Garanca also das Glück des Schnellen, andere Firmen ziehen jedoch nach. Sony/BMG, die fusionierten Multis, etwa schicken Anja Harteros (Jahrgang 1972) ins Rennen. Auf Bella Voce ist sie mit Mozart und Haydn beschäftigt, assistiert von den Wiener Symphonikern unter Pinchas Steinberg. Die deutsch-griechische Sopranistin hat an der Bayerischen Staatsoper als Traviata (2006) reüssiert, war auch in Salzburg zu hören - und ja: Sie wirkt mit ihrer delikaten Linienführung zur Lyrik ebenso befähigt wie zum dramatischen Aufladen von Partien. Auch da kann noch manch magischer Augenblick zu erwarten sein. In der gleichen Firmenfamilie wurde auch Marijana Mijanovic aufgenommen. Die Altistin mit dem Hang zum barocken Repertoire hat in Wien im Theater an der Wien als Cesare reüssiert. Händel ist auch das Thema von Affetti Barocchi mit dem Kammerorchester Basel unter Sergio Ciomei. Freilich klingt das alles vor allem solide, in den Koloraturen etwas behäbig und auch im Lyrischen nicht gerade von Leichtigkeit geprägt.

Auch im Jazz passierte in der Nachfolge von Cassandra Willson und Diana Krall ein ähnlicher Dominoeffekt. Da entstand regelrecht ein Trend, in Pop und Folk kippende Jazzsängerinnen zu forcieren (Norah Jones), zudem auch guten alten Jazzgesang durch juvenile Stimmen vermitteln zu lassen. Die Tendenz lässt und lässt nicht nach und bringt nicht unbedingt immer Unverzichtbares. Mitunter fehlt eine eigene Handschrift; und wenn sie vorhanden ist, dann kann sie bisweilen auch gewaltig nerven. Silje Nergaard etwa wird von Universal hofiert, weigert sich allerdings beharrlich, nicht wie ein kleines Schmusemädchen zu klingen und mediokre Songs reichlich auszuwalzen. So geschehen aktuell auf Darkness Out Of Blue.

Erwachsener klingt Lyambiko auf Inner Sense (Sony/ BMG). Nebst der zartrauen Stimme im Mainstreambereich ist allerdings vor allem der Akzent, mit dem die englischen Texte fad oder peinlich outriert vermittelt werden, bemerkenswert. Recht peinlich. Dann schon lieber Robin McKelle. Auf Introducing (Harmonia Mundi) klingt sie zwar, als hätte man sie in den frühen 60er- Jahren tiefgefroren und nun aufgetaut. Die bigband-verzierte Sangeskunst ist eine solide Imitation von Ella Fitzgerald mit einer Prise Doris Day. Die gute Nachricht aber: Da ist im hohen Norden Live Maria Roggen als Schülerin von Sidsel Endresen aktiv geworden und auch als Komponistin. Für Circuit Songs (Jazzland) ergibt das sensiblen Ausdrucksminimalismus, subtil-eigenwillige Stücke mit düsteren Arrangements. Eine tolle, aber jazzfreie Zone. (Ljubisa Tosic / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.5.2007)