Die Maya-Ruinen von Xunantunich sind Beispiel für die prächtige Baukunst der alten Hochkultur.

Foto: Belize Tourism Board
Grafik: Der Standard
Das Erste was einem auffällt ist die Höflichkeit. Schon beim Grenzübergang und der Passkontrolle sieht man mehr lächelnde Gesichter als in vier Wochen in einem All-Inclusive-Resort. Und dort bezahlt man immerhin auch dafür. "Is this your first time in Belize?" "Yes!" "Great, welcome!" Stempel in den Pass gestanzt, breites Grinsen - "Next please!"

Nicht nur, wenn man über die USA in das mittelamerikanische Kleinland südlich von Mexiko reist, ist ein derartiger Empfang eine Wohltat. Auch beim langsameren Einsickern via Bus aus Mexiko, das man über Cancún auf der Karibikhalbinsel Yucatán angeflogen hat, erfreut diese Begrüßung ebenso wie der Blick aufs Meer, den man beim Verlassen der Grenzstation erhascht.

Dabei ist es eben erst ungemütlicher geworden. In Chetumal, der letzten größeren Stadt kurz vor der Grenze, übergeben einen nämlich die mexikanischen Buslinien in die Obhut jener aus Belize. Von klimatisierten Bussen samt Sicherheitsgurt, WC und Videoprogramm wechselt man in ausgemusterte gelbe US-amerikanische Schulbusse. Solche, in denen Bart und Lisa Simpson zur Schule fahren und die auch für eine derartige Klientel dimensioniert sind, was einen gewissen Komfortabfall bedeutet. Dafür steigt mit jedem Halt Richtung Belize Stadt die Zahl lächelnder Menschen.

Etwas, das nach der Ankunft in der größten Stadt des einzigen englischsprachigen Landes Mittelamerikas abrupt abreißt. Beim Aussteigen am nächtlichen Busbahnhof drängen dutzende Menschen unter inflationärer Verwendung des F-Worts bereits durch die Seitenfenster des Busses, noch bevor die bisherigen Insassen überhaupt ausgestiegen sind - und ihr Gepäck dann eher zufällig im Staub des Parkplatzes wiederfinden. Einige Tage später wird ein Belizian sagen: "Belize City is the only place in Belize that gives us a reputation for crime!"

Trotzdem muss man die rund 60.000 Einwohner große Küstenstadt nicht fürchten. Taxifahrer sind sofort behilflich und bei Tageslicht ist auch hier alles easy. Zusätzlich gibt es eine eigene Polizeieinheit, die für die Sicherheit der Touristen ins Leben gerufen wurde und also an allen wichtigen öffentlichen Plätzen präsent ist.

Dennoch erfüllt Belize Stadt nur einen höheren Zweck, den, umzusteigen. Das Ziel ist nämlich Hopkins, ein 1500-Seelennest, benannt nach einem dort 1923 ertrunkenen Priester, das man nach einer weiteren Vierstunden-Busfahrt am nächsten Tag erreicht. Fast erreicht. Denn nicht jeder Bus fährt in das sieben Kilometer von der Hauptstraße entfernt am Meer gelegene Dörfchen. Der Rest des Weges wird gestoppt, wobei dafür nicht einmal der Daumen bemüht werden muss: Wer an dieser Kreuzung steht, will nach Hopkins.

Der Komforttourist rumpelt durch die von Schlaglöchern übersäte Hauptstraße von Hopkins einfach durch und begibt sich in eines der wenigen Resorts, die außerhalb der Ortschaft liegen und in denen sich die überwiegend aus den USA angereisten Touristen nicht vor den Hopkinsern fürchten müssen. Im Ort selbst gibt es private Unterkünfte sowie allesamt von Einheimischen betriebe Restaurants und Bars.

Die Resorts, die aus dem Norden langsam aber sicher gen Süden wachsen, sehen die Belizer mit gemischten Gefühlen. Einerseits schaffen sie Arbeitsplätze für die Jugend, andererseits fürchten sie um die gottvolle Ruhe des Ortes und die Identität des Landes. Schwierig. Also macht man gegenwärtig das Beste daraus und tuckert die ohnehin noch eher handverlesenen Besucher etwa auf die Keys zum Schnorcheln und Tauchen. Immerhin liegt vor der Küste von Belize das nach dem australischen Great Barrier Reef größte Korallenriff der Welt mit dem berühmten Blue Hole, einer eingestürzten unterirdischen Seehöhle, die sich nun als runder, dunkelblauer Pool im Meer abzeichnet.

Oder man begleitet die Gäste zu den prächtigen Maya-Ruinen von Xunantunich an der Grenze zu Guatemala. Oder wandert mit ihnen durch den Dschungel. Immerhin verwendet jeder Reiseführer für die Artenvielfalt der Flora in Belize Adjektive wie überwältigend oder spektakulär. Oder man beobachtet Manatees, Seekühe, die täglich wenige Meter vom Strand die Seegrasfelder abernten. Friedliche Riesen mit drolliger Physiognomie und so etwas wie das inoffizielle Wappentier des Landes.

Neben diesen Tagesausflugsoptionen, für das Hopkins besonders günstig, weil zentral, liegt, lockt Belize vor allem mit seiner Ruhe. Hängematten sind hier die häufigsten "Möbel", und der Groove ist entsprechend entspannt. Besonderen Ehrgeiz im Alltag zeigt vor allem die größer werdende chinesische Gemeinde im Land, die in den vergangenen Jahren die kleinen Supermärkte fast vollständig übernommen hat. "Vielleicht sind wir nicht so geschäftstüchtig", erklärt Maya-Mann Gregorio, mit dem man durch den Dschungel zu Wasserfällen stapft, scheinbar neidlos.

Zusammen mit ehemaligen aus Westafrika verschleppten Sklaven, die hier einst als Schiffbrüchige gestrandet sind, diversen karibischen Inselbewohnern sowie den Nachkommen der diese Gewässer einst unsicher gemacht habenden Piraten zählen die Mayas zu den Ureinwohnern des ehemaligen British Honduras, das seit 1981 als Belize unabhängig ist. Hopkins ist zudem eine der Hochburgen der Garifuna sowie des von ihnen gesprochenen gleichnamigen Dialekts, einer Mischung aus verschiedensten karibischen und westafrikanischen Dialekten sowie Englisch, Französisch und Spanisch. Keine Angst, muss man nicht lernen, jeder hier spricht Englisch. Trotzdem ist man stolz auf die Garifuna-Kultur, schafft sie doch eine originäre Identität.

Ein Sohn des Ortes ist übrigens gerade dabei, der Musik seiner Kultur und damit auch seinem Heimatdorf größere Bekanntheit zu verschaffen. Andy Palacio hat zusammen mit dem Garif" veröffentlicht und ist damit von null auf Platz zwei der europäischen World Music Charts durchgestartet. Seine Musik bildet die mannigfaltigen Einflüsse des Landes entsprechend ab. Gut abgehangene Karibikrhythmen, denen man stellenweise Merkmale des Reggae und kubanischer Musik anmerkt, federn Palacio und seine schlank instrumentierte Band mit der landesüblichen Sanft- und Entspanntheit ab. Wie Belize selbst, noch ein Geheimtipp. (Karl Fluch/Der Standard/Rondo/18.5.2007)