Wien - Der US-Filmkritiker Ed Halter hob kürzlich zu Begeisterungsstürmen an: Den Filmen und Videos des "Austrian guerrilla girl" Valie Export attestierte er anlässlich einer Schau im MoMA ein konzeptuelles Gewicht und Biss, neben dem der Großteil dessen, was ihm in der zeitgenössischen Kunstwelt begegne, eher nach Spielplatz aussehe.
Dieses Umstands kann man sich (endlich) auch in Wien vergewissern, wenn das Österreichische Filmmuseum (im Verein mit Sixpackfilm und den Wiener Festwochen) nun die Filme und Videos der inzwischen 67-jährigen Künstlerin zeigt - plus eine einmalige Liveaufführung von Expanded-Cinema-Arbeiten aus den Jahren 1967 bis 1973. Und ein Band mit dem Titel EXPORT LEXIKON im Sonderzahl Verlag erscheint.
Im Zeichen der Expansion, der Erweiterung stand Exports Arbeit wohl schon immer. In diesem Sinne wandte sie sich Mitte der 70er-Jahre auch dem Kinofilm zu: Die drei, die sie realisierte, verknüpften Auseinandersetzung mit weiblicher Identität und Geschlechter-differenz etwa mit Science-fiction-Motiven (Unsichtbare Gegner, 1976), blieben dabei jedoch stets politisch gegenwärtig. Dem waren in Österreich allerdings kulturpolitische und ökonomische Grenzen gesetzt (so wurde 1977 ein bereits zuerkannter Staatspreis nicht vergeben). Und die Künstlerin begann mehr installativ zu arbeiten.
Die ursprüngliche Idee zu den Langfilmen, sagt sie heute, ließe sich wiederum nicht von ihrer künstlerischen Vorgeschichte trennen - den Expanded-Cinema-Aktionen, Installationen, Filmen und Körperaktionen: "Bis Mitte der 70er-Jahre habe ich immer wieder neue Projekte gemacht, das hat sich erweitert und erweitert - bis es irgendwann den Wunsch gab, die einzelnen Teile, die sich in den verschiedenen experimentellen Filmen ausgedrückt haben, zu einer Metanoia, einer Botschaft im Gesamten, zusammenzuführen.
Dabei waren die experimentellen, formalen Auseinan-dersetzungen wichtig, aber gleichzeitig auch die inhaltlichen: Für "Unsichtbare Gegner" jene mit psychischen Zuständen, mit der Verdoppelung und auch mit dem Thema der Hyksos, einer Fremherrschaft, die plötzlich auftaucht und die Erde besetzt. Bei "Menschenfrauen" (1979) ist der Feminismus stärker im Blickfeld. In "Die Praxis der Liebe" (1984) waren die österreichischen Waffengeschäfte bis zum Fall Proksch eigentlich ein Ausgangspunkt."
STANDARD: Zugleich bilden Sie über Ihre Protagonistinnen auch eine künstlerische Lebenspraxis, ein Milieu ab, das sonst im österreichischen Spielfilm nicht vorkommt.
Export: Ich würde nicht sagen, dass ich in eine der weiblichen Figuren meine intime Identität hineingebracht habe. Aber in Menschenfrauen gibt es etwa eine kleine Szene mit einer Lehrerin, die ich spiele und die ihrem Direktor eine Ohrfeige gibt. Das ist eine Art Erfüllung eines Kinderwunsches. Kleine Hinweise gibt es also schon, wo ich Teile meiner oder mir bekannter Biografien einbaue. Das war mir auch wichtig, weil ich dachte, fiktive Geschichten oder Figuren erzählt sowieso das herkömmliche Kino.
STANDARD: Auffallend ist auch der Ton - war das in Bezug auf den Kinofilm ein neues Element, sich stärker mit dieser Ebene auseinanderzusetzen?
Export: Bei den Expanded-Cinema-Arbeiten war mir der Ton zunächst nicht so wichtig, da ging es ums Filmische ohne Ton, ums Bild. Im Laufe der Arbeiten, etwa bei meinen Körper-Performances wurde deutlicher, dass ich auch "Tonbilder" einbeziehen möchte, nicht nur "Bild-Bilder". Dass das Auditive seine Eigenständigkeit hat, keine Begleiterscheinung, kein Zusatz ist. Aber man darf auch nicht vergessen: Anfangs hatten wir 8-mm-Filme, ohne Tonspur, drei Minuten lang - weshalb auch viele Arbeiten diese Länge haben -, etwas anderes hätte ich mir damals auch nicht leisten können.
STANDARD: Haben Sie heute generell noch eine Affinität zum Kino, zum zeitgenössischen österreichischen Film?
Export: Natürlich informiere ich mich, halte mich am Laufenden, über Machart oder Themen. Ich schau mir auch österreichische Filme an, allerdings häufiger auf Video. Ins Kino gehe ich mal mehr, mal weniger, aber ich fahre auf Festivals, sehe Filmprogramme im Ausstellungskontext.
STANDARD: Ist das auch Anreiz, sich zu überlegen: Da würde mir Radikaleres einfallen?
Export: Nein, der Anreiz ist, dass ich persönlich noch so viele Ideen, Visionen, Vorstellungen habe, die ich umsetzen möchte. Um ein Beispiel zu nennen: Ich würde - schon seit vielen Jahren - gerne einen Film machen, bei dem die Kamera nur unten auf dem Boden platziert ist. Wie man dann dazu die Geschichte konstruieren müsste oder ganz konkret die Aufnahmen-Gestaltungen - das beschäftigt mich.
STANDARD: Das Filmmuseum, wo nun Ihre erste Werkschau "im Kinokontext" stattfindet, war seit seinen Anfängen für Sie auch Ort des Austausches.