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"Du reitest in frischer Luft, unter freiem Himmel, auf deinem guten Pferdchen, vielleicht nur vier oder fünf Meilen täglich; aber du darfst sagen: an diesem Bach wollen wir frühstücken; – Du darfst den Zug aufhalten um Oleander zu pflücken und auf deinen Hut zu stecken; – Du darfst vom Pferde steigen um die wunderlichen Bewegungen einer Seespinne in der Nähe zu betrachten (...); – Du darfst sagen, dass Du ausruhen, essen, trinken, oder vorwärts willst; – kurz, in jedem Augenblick darfst Du genau das thun, was du eben mögtest: Du bist frei."
(Ida Hahn-Hahn, Orientreise 1844)

Bis weit ins 19. Jahrhundert, dem Zeitalter des europäischen Kolonialismus, war Reisen ein mehr oder weniger ausgesprochenes Vorrecht der Männer. Trotz des weiblichen Tabus – Reisen widersprach dem bürgerlichen Weiblichkeitsideal der häuslichen Frau – hat es aber schon immer Frauen gegeben, die auf eigene Faust und unter schwierigsten Bedingungen ihre Reisen antraten, darunter Ida Pfeiffer, Alma Karlin, Maria Merian, Ida Hahn-Hahn oder Mary Kingsley. Anders als die Männer zogen sie jedoch nicht aus, um zu erobern, zu missionieren oder zu handeln: sie reisten, um zu entdecken, zu erfahren, zu erleben. Sie reisten anders.

Auch heute, wo das Reisen für Frauen zur Selbstverständlichkeit geworden ist und das Angebot an Frauenreisen groß, liest frau häufig den Satz: "Frauen reisen anders." Aber was ist dieses "anders" heute? Worauf legen Frauen beim Reisen Wert? Statistisches Material oder repräsentative Studien über Frauenreisen gibt es nur sehr spärlich, weiß Freizeitforscher Peter Zellmann: "Und allgemeine Reise-Trends setzen sich bei Frauen und Männern meist gleichwertig durch, geschlechtsspezifische Unterschiede sind da kaum abzulesen."

Manche Frauen reisen alleine oder mit der Freundin, weil sie sich etwas Gutes tun möchten, unabhängig vom Urlaub mit Mann und/oder Kindern. Manche suchen in Frauen-Gruppenreisen Gesellschaft, weil sie genug haben vom Alleinreisen, sich in gemischten Gruppen aber als "fünftes Rad am Wagen" fühlen. Und sie setzen auf Reisen oft andere Schwerpunkte, beobachtet Renata Bühler, Mitorganisatorin des Frauenreiseportals "Frauenurlaub.de" und seit 18 Jahren Inhaberin des Frauenhotels "Artemisia" in Berlin: "Sie achten mehr auf Kleinigkeiten; Atmosphäre und Stimmung sind ihnen eher wichtig als Männern. Manche schätzen ein Hotel oder eine Reisegruppe nur für Frauen, weil hier unbewusste Rollenspiele zwischen den Geschlechtern wegfallen. Andere Frauen gehen alleine oder mit Freundin auf Reisen, weil sie eigenen Interessen nachgehen möchten, die im Familien- oder Partnerurlaub zu kurz kommen."

Für sich sein

Auf den "Weiberhof" im südsteirischen Weinland kommen Frauen, weil sie einen Ort zum Entspannen, zur Ruhe und Erholung suchen, an dem sie "ganz sie selbst" sein können. Ärztinnen, Journalistinnen, Studentinnen, Bäuerinnen und Mütter mit Kindern, zwanzig- und siebzigjährige Frauen fühlen sich hier gleichermaßen wohl. "Wenn Frauen alleine oder mit anderen Frauen reisen, dann sind sie, denke ich, mehr bei sich, gehen mehr auf ihre eigenen Bedürfnisse ein. Auf Reisen mit männlichen Begleitern haben sie vielleicht eher das Gefühl, sich anpassen zu müssen, während der Mann die Ziele vorgibt", überlegt Mitgründerin Erika Hütter. "Hier brauchen sie keine Rolle spielen, sind für sich oder unter anderen Frauen, ohne etwas zu müssen oder ungewollt ‚angebaggert’ zu werden."

Zielgruppe Geschäftsfrauen

Eine große und bedeutende Gruppe weiblicher Reisender sind Geschäftsfrauen: In Deutschland sind über ein Viertel aller Geschäftsreisenden Frauen, in den USA über 40 Prozent. Sie haben unterwegs teils ganz andere Bedürfnisse als ihre männlichen Kollegen – "die in der Reisebranche aber noch keineswegs immer berücksichtigt werden", weiß Uta Brandes, Professorin für Gender und Design an der Köln International School of Design. Im Rahmen des Projekts "Frauen reisen (anders)" befragten sie und ihre Kollegin Birgit Mager per Fragebogen rund 80 internationale Geschäftsfrauen zwischen 20 und 60 Jahren zu deren (Allein-) Reisegewohnheiten, -erfahrungen und –wünschen, mit Schwerpunkt auf Sinnlichkeit, Sicherheit und Sozialität. Vor allem die Hotels seien laut den Ergebnissen noch kaum auf die Zielgruppe Businessfrauen eingestellt, sagt Brandes: "Die befragten Frauen wünschen sich quer durch alle Kulturkreise Sicherheit und Orientierung, keine endlos langen Hotelgänge und Tiefgaragen. Sie bleiben in der Freizeit lieber in der Nähe des Hotels und schätzen eine freundliche, seriöse Atmosphäre und vertrauenswürdiges Personal." Die meisten bräuchten kein Extra-Service, aber möchten guten Wohlfühl-Standard: "Es muss kein reines Frauenhotel sein, aber ein eigener Frauenflur und weibliche Ansprechpartnerinnen zur Wahrung der Intimität sind wünschenswert, weil es Sicherheit vermittelt."

Wie Renata Bühler vom Frauenhotel "Artemisia" unterstreicht auch Brandes die Bedeutung von Kleinigkeiten: "Gerade viel reisende Frauen legen Wert auf sinnliche Momente und Aufmerksamkeit, die sich in Atmosphäre, Design und Produkten niederschlagen – sie wollen sich selbst nach der vielen Arbeit damit etwas Gutes tun, sich belohnen. Da zählen Details wie ein nett arrangierter Obstteller am Zimmer, Blumen, Farben, entspannendes Licht oder angenehmer Duft, viel Platz im Bad, genug und praktisch angebrachte Spiegel oder gute und üppig vorhandene Pflegeprodukte." Ablehnung hingegen zeigten die Befragten gegenüber männerzentrierten Produkten wie Porno-Pay-TV oder Hosen- statt Rockbügel: "Sie fühlen sich damit als Zielgruppe "Reisende Frau" nicht angesprochen oder vernachlässigt."

Frauen als Urlaubsplanerinnen

In Österreich ist das Reiseangebot speziell für Frauen noch sehr spärlich, Reisebüros weichen dafür auf Angebote bei den deutschen Nachbarn aus. Dabei würden 54 Prozent aller Urlaubsbuchungen von Frauen getätigt, Marketingaktivitäten sollten sich also auch ganz allgemein an den Bedürfnissen von Frauen orientieren, folgert die Österreich Werbung in einer Untersuchung zum Thema "Frauen. Reisen.": Frauen spielten in der Planung der Ferien, in der Urlaubskalkulation, bei der Recherche der Informationen, in der Steuerung des Urlaubsziels und der Unterbringung eine große Rolle. Frauen zwischen 20 und 40 Jahren interessierten demnach häufiger Angebote mit den Botschaften Sport, Selbstbewusstsein, Selbstbestimmtheit, eigene Auszeit, Spaß und Unterhaltung, aber auch "die Konzentration auf die Bedürfnisse eines Paares.“ Frauen zwischen 40 und 60 Jahren wären an Angeboten interessiert, die ihnen „ein Experiment mit ihrer Person und ihrer Partnerschaft erlauben, die sie aber auch in ihrer Rolle als aktive Frau und Partnerin bestätigen". Für Mütter war der optimale Urlaub laut Untersuchung der, der ihren Kindern am besten gefiel. (isa)

(Quellen: Habinger, Gabriele: "Frauen reisen in die Fremde". Diskurs und Repräsentationen von reisenden Europäerinnen im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Promedia, Wien 2006.

M. Micklich, K.Veit: "Frauen reisen – Frauenreisen". Handout Uni Rostock, Institut für Soziologie, 2004.)