Die Folge einer nicht intakten Gallenblase: Gallensalze kristallieren zu Steinen

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Ist jemand wütend, kommt ihm "gleich die Galle hoch", er wird dann "Gift und Galle spucken". Die Assoziation von Wut, Zorn, Aggression und Körperflüssigkeit erinnert an die Lehren der Hippokratiker. Für die frühen Mediziner war die Galle ein Kardinalsaft, der das Temperament bestimmt. Waren die vier Kardinalsäfte im Lot, war es auch der Mensch. Ganz Unrecht hatten die Griechen nicht. Denn die Galle, ein Sekret der Leber, reguliert die Fettverdauung und ist damit für die Balance im Verdauungstrakt verantwortlich.

Aus dem Gleichgewicht

Stimmt die Zusammenstellung der zähen Flüssigkeit nicht mehr, kommt es in ihrem Reservoir, der Gallenblase, zur Steinproduktion. Meist bleiben die Kristalle aus Cholesterin und Bilirubin "stumme Steine", die keine Schmerzen verursachen. In einem Viertel der Fälle werden sie aber zu "symptomatischen Steinen", die Gallenblase und Gallenwege blockieren und höllische, oft Stunden dauernde Koliken auslösen können.

Keine Alternative

Gallensteine sind in den Industrieländern häufig, die Prävalenz liegt bei zehn Prozent, Frauen sind öfter betroffen als Männer. Die Häufigkeit steigt mit dem Alter. Risikofaktoren abgesehen von Alter und Geschlecht sind Fettleibigkeit und familiäre Veranlagung. Weil Methoden wie Gallensteinzertrümmerung oder - auflösung nicht zum gewünschten Erfolg - der endgültigen Steinbeseitigung - führen, ist die Operation die einzige Behandlungsmöglichkeit.

Kleine Schnitte

Ziel der Operateure ist, "dass die Patienten möglichst rasch wieder gesund nach Hause kommen", sagt Peter Razek, Oberarzt der chirurgischen Abteilung im Sozialmedizinischen Zentrum Floridsdorf. Deshalb sei die laparoskopische Cholecystektomie "der goldene Standard". Seit 1991 wird diese minimal- invasive Operationstechnik in Österreich durchgeführt.

Vier kleine Schnitte, sieben Millimeter bis zwei Zentimeter lang, werden gesetzt, durch die Schnitte pumpt man Kohlendioxidgas in die Bauchhöhle, um den Raum zu erweitern, das Handling zu erleichtern. Über eine Minikamera wird mit Kleinstgeräten die Gallenblase von der Leber getrennt und samt Steinen entfernt. Das alles dauert 30 Minuten. Das allgemeine Krankheitsgefühl wie nach "großen" Operationen bleibe aus, sagt Peter Razek. Nach der Schlüsselloch-Operation steht man nach zwei Stunden wieder auf, kann bald wieder essen. Schnelle Erholung durch wenig Stress lautet die Devise, Fast-Track-Konzept ist der Fachbegriff dafür. Entlassen wird man nach drei Tagen, an manchen Krankenhäusern bereits am nächsten Tag. Nach 14 Tagen Schonung müsste das Steinleiden Vergangenheit sein.

Ganz ohne Schnitt

Im Strassburger Universitäts-Krankenhaus gelang Ende April nach drei Jahren Forschungsarbeit die erste Gallenblasenoperation ohne jeden äußeren Schnitt. Dazu wurde von Jacques Marescaux und seinem Team ein flexibles Endoskop mit 1,50 Meter langen Instrumenten durch die Scheide der Patientin eingeführt. Mit der Sonde und deren Kamera orteten die Mediziner die Gallenblase und operierten. Nach dem Eingriff spürte die Patientin laut Jacques Marescaux keine Schmerzen. Der Jubel der Fachwelt ist groß. "Möglicherweise ein Trend für die Zukunft", sagt Peter Razek realistisch. Denn von der breiten Umsetzung der Operation ganz ohne Schnitt sei man noch Jahre entfernt. Derzeit werde die Operation mit endoskopischen Geräten durch Scheide, Magen, Dickdarm oder Harnblase noch in Tierexperimenten geübt.

Ist das Gallensteinleiden allein Sache der Chirurgie?

Walter Glück, Homöopath und Leiter des Masterlehrgangs "Natural Medicine" an der Donau-Universität Krems: "Nur bei sehr kleinen Steinen hat man eine Chance. Da lohnt sich ein Versuch mit Homöopathie und Phytotherapie, etwa mit der Mariendistel." Das Auflösen großer Steine könne man aber vergessen. Die Domäne der Homöopathie sei auch nicht die Auflösung der Steine, sagt der Autor von "Homoöpathische Notfallapotheke. Selbsthilfe in Akutfällen", sondern die Funktionsverbesserung von Gallenblase und Leber, auch die Behandlung von schmerzhaften Gallenkoliken.

Glück: "Bei einer Kolik würde ich zuerst homöopathisch alles versuchen, bevor ich starke Medikamente nehme." Bestsellerautor und Alternativmediziner Rüdiger Dahlke sieht um Steinleiden "versteinerte Aggression" und rät zur Vorbeugung: "Lieber Gift und Galle spucken, als Gallensteine gebären." (DER STANDARD, Printausgabe, Jutta Berger, 14.5.2007)