Die zwölf Ecken des Gebetshauses, das in der Schererstraße in Wien-Floridsdorf errichtet wird, stehen für die zwölf Imame des Islam.

Bild: Thomas Kretschmer
Ein Versammlungshaus für die alevitische Gemeinde und eine offene Bildungsstätte soll das neue „Cem“-Haus werden, sagt Sahin Sari, Vorstandsmitglied des alevitischen Kulturvereins in Wien. Am 17. Mai erfolgt der Spatenstich für den Bau des laut Sari „weltweit ersten offiziell anerkannten Gebetshauses der Aleviten“. Zwar gebe es in aller Welt „Cemevi“ für die Abhaltung des „Cem“ genannten Glaubensdienstes der Aleviten, doch seien diese nicht als Gebetshäuser, sondern lediglich als Vereinslokale genehmigt.

Für den alevitischen Verein in Wien, dem rund 300 Familien angehören, bedeutet der Bau des „Cem“-Hauses in Floridsdorf viel: Zum einen wird Platz geschaffen für Hochzeiten, Trauerfeiern, Zeremonien und andere kulturelle Aktivitäten, andererseits kann sich die liberalste Gruppierung innerhalb der muslimischen Religionsgemeinschaft damit nach außen positionieren – auch um sich von fundamental-extremistischen Strömungen des Islam abzugrenzen. „Wir versammeln uns jeden Freitag“, erklärt Sari. „Dabei geht es nicht immer um Religion, es wird auch über Politik und die Welt diskutiert.“ Frauen, Männer und Kinder nehmen gleichberechtigt an den Gebeten und Veranstaltungen teil, Moscheen besuchen die Aleviten genauso wenig wie sie nach Mekka pilgern.

Gründung vor 16 Jahren

Gegründet wurde der Verein der Aleviten in Wien vor 16 Jahren von türkischstämmigen Einwanderern, die in den 1960er-Jahren nach Österreich gekommen waren. 2001 wurde das Grundstück der ehemaligen Bahlsenfabrik in der Leopoldau gekauft, seither wird das „Cem“-Haus geplant. Einzige Vorgabe an Architekt Thomas Kretschmer war die für „Cemevi“ übliche zwölfkantige Form als Symbol für die zwölf Imame. 350 Personen wird der Gebetsraum fassen, in den Nebengebäuden werden Büros und Seminarräume für Fortbildung und Deutschkurse untergebracht. Die Baukosten von rund einer Million Euro werden durch Spenden aufgebracht – in einem Jahr könnte es fertig sein. „Der Islam ist keine Einheit, es gibt viele unterschiedliche Gruppen“, weist Sari auf die Botschaft hin, die das „Cem“-Haus vermitteln soll. „Es gibt viele Möglichkeiten, wie der Islam gelebt wird.“ (Karin Krichmayr/DER STANDARD-Printausgabe, 11.5.2007)