Julius Meinl V. (47): Verhandlungen im Osten sind "auch ein politisches Spiel, man sollmöglichst spät die Deckung verlassen".

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Wien – "Als Karl Wlaschek entschied, Billa an Rewe zu verkaufen, tat er sich sicher leichter als ich", resümiert Julius Meinl V., zumal er seine Familie überzeugen musste. Aber selbst die dürfte die Entscheidung, die Lebensmittelsparte nach 142 Jahren abzugeben, nicht bereut haben: Die Meinl Bank, das Kernstück der heutigen Gruppe, hat der Familie allein im Vorjahr 85 Millionen Euro Dividende ausbezahlt. Bereits ein Drittel davon steuerte die Immobiliensparte Meinl European Land (MEL) bei.

Meinl hat vor mehr als fünf Jahren die Lebensmittelkette an die Konkurrenz verkauft und ist heute froh, "nicht mehr die Sorgen unserer Mieter zu haben". Meinl: "Rückblickend betrachtet, haben wir damals zur richtigen Zeit am richtigen Ort das Richtige getan". Nicht zuletzt, weil das Meinl-Konzept mit hoher Qualität und Bedienung Schwierigkeiten hatte, gegen Billa, Spar oder in Osteuropa gegen Tesco zu bestehen. "Solange für Marktanteile gut bezahlt wurde, war es attraktiv zu verkaufen", argumentierte Meinl bei der Bilanzpräsentation der Bank, die es übrigens seit 90 Jahren gibt. Vom "Meinl am Graben" wollte er sich jedoch nicht trennen. Im Vorjahr erzielte der Feinkostladen in der Wiener City einen Umsatz von 30 Mio. Euro und einen Cashflow von mehr als neun Prozent.

Die erst vor fünf Jahren gegründete börsenotierte Meinl European Land startet nun ein weiteres Mega-Projekt in Russland und bestätigt damit ihre Position als größter Einzelhandelsimmobilieninvestor in dem Land. Für rund 300 Mio. Euro wird im Norden Moskaus auf 60 Hektar eigenem Grund das größte Einkaufszentrum Russlands mit 250.000 m2 entstehen.

Von der Größe und der Struktur her sei die in mehreren Bauetappen geplante Moskauer Shoppingmall mit der Shopping City Süd vergleichbar, dem größten Einkaufszentrum Europas. Das Groß-Einkaufszentrum mit Entertainment-Center in Puschkino soll 2009 eröffnet werden. MEL erwartet sich daraus eine Rendite von rund 15 Prozent. In Sankt Petersburg errichtet MEL derzeit ein rund 100.000 m2 großes Einkaufscenter, die Eröffnung ist im Spätsommer geplant. Die Investitionskosten für das Shoppingcenter betragen rund 125 Mio. Euro. Auf den Kernmarkt Russland entfallen aktuell bereits 40 Prozent des Gesamtportfolios von MEL, das rund 2,1 Mrd. Euro ausmacht. Bis jetzt hat MEL sieben Einkaufszentren eröffnet und verfügt über weitere zwölf Projekte, die sich in Bau beziehungsweise in Planung befinden.

Politisches Risiko

Auf das politische Risiko in Russland angesprochen, meinte Meinl, dieses sei sicher vorhanden. Es sei allerdings eine Frage, in welchem Bereich man agiere. "Wir sind mit unseren Investments unter dem Radar der Oligarchen und des Kreml. In Russland haben viele ein Vermögen gemacht und wollen dieses auch behalten". Daher hätten diese Menschen ein Interesse an funktionierenden Gerichten. Die Projekt-Pipeline von MEL bezifferte Meinl mit aktuell zwei Mrd. Euro. Hauptinvestitionsmärkte für heuer seien neben Russland die Türkei, Polen, Rumänien und Bulgarien. Für die nächsten zehn bis 15 Jahre sieht Meinl noch genug Entwicklungspotenzial in Osteuropa.

Im Juni bringt Meinl auch seine Schokoladen-Tochter, den rumänischen Süßwarenhersteller Kandia-Excelent, an die Börsen Wien und Bukarest – nach MEL und Meinl Airports die dritte Emission, im Volumen von rund 100 Mio. Euro. Meinl wird die Mehrheit abgeben und zirka 30 Prozent behalten. Kandia-Excelent gehört zur Meinl-eigenen Investmentholding Fulcrum. Kandia-Excelent hat 120 Jahre Erfahrung in Sachen Confiserie. Vor 1945 stand ein Teil des später fusionierten Unternehmens über die Julius Meinl Temesvar bereits im Eigentum der Industriellenfamilie. Laut Julius Meinl stellt das Unternehmen pro Jahr viereinhalb Mio. Schokoriegel her und kommt damit auf 40 Prozent Marktanteil in Rumänien. (Claudia Ruff, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.05.2007)