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Standard: Die ukrainische Regierungskrise dauert an, die Ratingagentur Fitch hat ihre Bewertung nach unten revidiert. Fürchten Sie ernsthafte Folgen?

Poroschenko: Wenn die Krise lange dauert, sind Folgen unvermeidlich. Einige Wochen hält die Ökonomie aus. Fitch hat das Rating hinsichtlich der strategischen Perspektiven der Ukraine herabgesetzt.

Standard: Haben Sie die Entwicklung vorausgesehen?

Poroschenko: Ja. In unserer Partei waren ich und einige andere entschieden gegen die Unterzeichnung des Präsidentenerlasses, weil er die Situation zuspitzen würde. Als Anhänger einer Kompromisslösung blieben wir leider in der Minderheit. Aber ich bin tief überzeugt, dass die Krise viele kranke Elemente der ukrainischen Staatsordnung aufdeckte: etwa dass es praktisch keine Herrschaft des Rechts gibt. Die Justiz ist so korrumpiert, dass sie widersprüchliche Entscheide produziert, sodass das Vertrauen in die Gerichte aller Ebenen einfach fehlt. Diese Dynamik passierte in den letzten drei Jahren. 2004 traf der Oberste Gerichtshof die Entscheidung über Neuwahlen, und da war das Niveau des Vertrauens in das Justizsystem zwanzigmal höher als jetzt.

Standard: Es gibt die Version, dass Großunternehmer, zu denen auch Sie gehören, unzufrieden mit dem Präsidenten wurden, weil er sie nicht ausreichend zu schützen und zu lobbyieren verstand. Deshalb hatten Großunternehmer zuletzt ja die Nähe des Lagers von Premier Viktor Janukowitsch gesucht, der sein Business gut zu positionieren verstand.

Poroschenko: Diese Version ist eine primitive Verzerrung der Situation. Erstens ist die ukrainische Staatsmacht im Unterschied etwa zur russischen wesentlich schwächer. Daher ist die Ansicht, dass die Staatsmacht das Business effizient verteidigen kann, nicht wahr. Außerdem leidet das Großbusiness weitaus mehr unter der Destabilisierung, als dass es von der Suche irgendwelcher Verteidigungsmittel profitieren würde. Ich bin heute überzeugt, dass die Großunternehmer an der Transparenz der Spielregeln interessiert sind. Nur das kann heute die Integration der ukrainischen Wirtschaft in die europäische oder globale Businessgemeinschaft gewährleisten. Kapitalisierungszuwächse in den letzten drei Jahren von 200 bis 400 Prozent in vielen Sektoren zeugen von den Möglichkeiten unserer Wirtschaft und beweisen, dass die Unternehmer, unabhängig von politischer Färbung, nur an einem interessiert sind: an Stabilität.

Standard: Derzeit schaut es politisch wieder nach einer Annäherung der Streitparteien aus. Welchen Ausweg aus der Krise sehen Sie?

Poroschenko: Ich denke, das Land braucht Neuwahlen. Und die Gesellschaft ist bereit dazu. Ausweg gibt es nur einen: Das Land braucht neue Politiker, die das Land einen.

ZUR PERSON: Petro Poroschenko (41) ist Abgeordneter von Präsident Viktor Juschtschenkos Parteiblock "Unsere Ukraine". Zurzeit der "orangen Revolution" war er Kopf der Businessvereinigung "Razom", die die Revolution finanzierte. Mit 505 Mio. Dollar Vermögen (Lebensmittel- und Konditoreiindustrie) liegt er im Reichen-Ranking an 15. Stelle. Er besitzt einen TV-Sender, seine Bank hat er nach der Revolution um 60 Mio. Euro verauft. (Eduard Steiner, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.5.2007)