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In meinem Geburtsjahr gedreht, kann ich mich an nichts mehr erinnern. Was es da alles gegeben haben wird, dröhnte an meinem Kinderwagen vorbei. Nur keiner wird einen guten Film in Deutschland gemacht haben. In Amerika dreht Chaplin "Der große Diktator", er selbst als großer Diktator und armer Jude, die zwei Positionen, die er in seiner Körpersprache schon immer zum Ausdruck gebracht hatte. Wenn er von der Ermordung der Judenmillionen gewusst hätte, hätte er den Film nicht herausgebracht, sagte er taktisch.

Dann war ich eine kleine Schildkröte, die über das kurze Gras ihren Kopf zu heben versuchte, der Windelarsch war höher an einem düsteren Junitag 1939. Mit allem, was es gab und was geschah, wurde man mit einem Netz haarfeiner Risse eingedeckt. Anderen wurde die Tasse einfach aus der Hand geschlagen. Unsere Tasse, unser Kopf wurde in Millionen einfachen Sprüngen hinterlassen. Die moralische Predigt von Chaplin als kleiner Jude im Stadium des Diktators mochte ich nie, um sie jetzt als das Beste zu empfinden, wie er armselig dasteht und nichts als seine Armseligkeit zum Ausdruck bringt. Da kann die Rede des Führers noch so fechtend funkeln und sich im Sauerkraut verirren, dieser Prunk zieht nicht mehr.

Ich habe Chaplin immer geliebt, den größten Schauspieler, und bin doch langsam und mutig zu Dick und Doof hinübergewandert. Stan Laurel wurde mein bescheidenerer Held. Aber auch Ollie schauen wir mit wachsendem Vergnügen an. Sein ganzes Schwabbelzeug. Jeden Tag. Wie könnt ihr die Ruhe nur aushalten, sagt sein weiblicher Besuch, wir halten sie nicht. Willst du nichts für die Süddeutsche Zeitung zum Großen Diktator schreiben, sage ich zu meiner 12-jährigen Tochter. Naomi Achternbusch: Ich glaube, Chaplin machte den Film einerseits in der Hoffnung, dass sich Hitler Charlies Rede zu Herzen nimmt (wenn dieser Mann überhaupt ein Herz hatte). Andererseits glaube ich, hat Chaplin sehr früh gewusst, dass Hitler ein Monster ist. Deswegen hat er sich in der Rolle von Hynkel im Voraus gerächt.

Der große Diktator ist ein großartiger Film, der auf gar keinen Fall in Vergessenheit geraten sollte. Ich zieh wirklich meinen Borsalino vor Charlie Chaplin und "Der große Diktator". (Herbert Achternbusch / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.5.2007)