Auch in der Krypta des Cabaret Voltaire klingelt manchmal das Telefon: "Opera Calling". Am anderen Ende ...

Foto: Cabaret Voltaire/ Mediengruppe bitnik

... der Leitung erstaunte, bisweilen erfreute und interessierte Züricher: Performance-Mitschnitte auf der Website.

Foto: Cabaret Voltaire/ Mediengruppe bitnik
"Würdest du am liebsten jeden Abend in die Oper gehen, aber du hast nicht das nötige Geld dazu?", fragt die Mediengruppe Bitnik gemeinsam mit Sven König. In zehn Schritten bieten sie eine ebenso augenzwinkernde wie praktische Anleitung, wie man sich die Oper frei Haus liefern lässt und ganz nebenbei das Problem löst, sich für den klassischen Musikgenuss nicht in feine Kleider schmeißen zu müssen.

Okay, mit günstigen Stehplatzkarten ist die Oper heute für fast jeden erschwinglich geworden, und in Jeans hinzugehen ist auch längst kein Malheur mehr. Dennoch: Bequem vom Sofa aus den Opernklängen zu lauschen birgt einen gewissen Reiz.

"Arien für alle!" ist gleichermaßen Forderung und Angebot, für deren Erfüllung das Projekt "Opera Calling" (opera-calling.com) in das System des Zürcher Opernhaus eingreift. Genauer gesagt: Im Zuschauerraum wird eine Wanze platziert, die in Kombination mit einem Computer Audiosignale telefonisch an die per Telefonbuch ermittelten End-Empfänger übermittelt. Jeder, der abnimmt, bekommt frei Haus und solange er will Zutritt zum virtuellen Hörraum: heute Mahler, am Freitag etwa Rossini und Benjamin Britten.

Überwiegend sind die Leute irritiert und legen relativ schnell wieder auf. "Einer hat aber fast eine Stunde lang zugehört", freut sich Jacqueline Lalive D'Epinay vom Cabaret Voltaire. Dort macht eine Installation aus 100 Telefonen die Geschehnisse im Telefonnetz nachvollziehbar. Klingelt einer der Apparate, sind sowohl die Reaktionen der beglückten Telefonteilnehmer als auch die Geräuschquelle Oper hörbar.

Das Kollektiv Bitnik ist in Österreich vor allem durch ihren "Teleklettergarten" in Erinnerung: Besucher der Ars Electronica 2003 waren dazu eingeladen, Programmiercodes unter Einsatz ihrer Körperkräfte auf einer hauswandhohen Tastatur einzugeben. Mit "Opera Calling", dem famosen ersten Part der dreiteiligen Ausstellung "appropriate - manipulate - feed back", soll nun die Nützlichkeit des Prinzips "Hacking" als Strategie künstlerischer Produktion erprobt werden.

Verdruss und Fadesse in den eigenen vier Wänden könnte allerdings folgender Hinweis zum Mitmachen bescheren: "Bleib zu Hause und warte, bis dich die Oper anruft." In einer Stadt mit 370.000 Einwohnern und mindestens ebenso vielen Telefonanschlüssen könnte das durchaus zach werden. (kafe/ DER STANDARD, Printausgabe, 3.5.2007)