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Gewerkschafter demonstrieren vor dem Parlament in Stockholm (re. Gewerkschaftsführerin Wanja Lundby-Wedin).

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Nyamko Sabuni geht gegen Unterdrückung von Frauen im Islam vor.

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Frederik Reinfeldt und seine Mannschaft brechen mit alten Gewohnheiten.

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Das Modell Schweden ist nicht mehr. Die neue konservative Regierung krempelt den Sozialstaat im Norden völlig um. Sie setzt auf Privatisierung, schärfere Gesetze gegen Kriminelle, mehr Druck auf Arbeitslose. Von Anne Rentzsch.

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Schweden-Romantiker müssen derzeit tapfer sein. Wem bisher entgangen sein sollte, dass das Bild von der gemütlichen Sozial-Oase nicht mehr recht stimmig ist, den dürften Fredrik Reinfeldt und seine bürgerliche Regierungsmannschaft endgültig eines Besseren belehren. Seit einem halben Jahr führt Reinfeldt die Vierparteienkoalition aus Moderaten, Zentrumspartei, Liberalen und Christdemokraten, die die absolute Mehrheit im Parlament innehat. Mit bemerkenswertem Tempo nimmt die neue Regierung Kurs auf eine Reihe grundlegender Veränderungen - zum geteilten Vergnügen bei den Wählern.

Auf breite Zustimmung stößt dabei zunächst der Richtungswechsel in der Schulpolitik. Mit dem Versprechen, den Leistungswillen und die aus dem Ruder geratene Ordnung im Klassenzimmer wiederherzustellen, hatten die bürgerlichen Parteien bei den Wählern im vergangenen Herbst enorm gepunktet.

Im Pippi-Langstrumpf-Land, wo Zensuren nicht vor dem achten Schuljahr vergeben werden und der Zustand der Schule vielfach als katastrophal beschrieben wird - in letzter Zeit mussten Schulen mehrfach wegen eskalierender Gewalt geschlossen werden -, schlägt Schulminister Björklund nun gänzlich andere Töne an. So sollen Noten früher ausgeteilt werden; Schüler, die mobben und randalieren, müssen künftig mit einem Schulverweis rechnen.

Hohe Verbrechensrate

Ebenfalls großen Zuspruch findet die härtere Gangart bei der Bekämpfung von Gewaltverbrechen, deren Zahl in jüngster Zeit markant gestiegen ist. In einer EU-Studie vom Jänner belegt Stockholm unter den gefährlichsten europäischen Metropolen den fünften Platz. Bei Verbrechen wie etwa schwerer Körperverletzung (ein Anstieg um sechs Prozent in den Jahren zwischen 2005 und 2006) soll der zulässige Strafrahmen von bis zu zehn Jahren Gefängnis künftig auch voll ausgeschöpft werden.

Auf massive Proteste zumal der Gewerkschaften stoßen hingegen Kürzungen bei sozialen Bezügen, insbesondere beim Arbeitslosengeld. Bereits beschlossen ist die Erhöhung der Beiträge bei gleichzeitiger Senkung der Bezugsdauer auf maximal 300 Tage. Ab Juli müssen beschäftigungslose Schweden zudem nicht erst wie bisher nach 100 Tagen, sondern ab Tag eins der Arbeitslosigkeit bei Bedarf auch eine völlig artfremde Arbeit annehmen - an jedem beliebigen Ort.

Haft für Sozialbetrug

Besonderes Augenmerk will die Regierung auch den Langzeit-Krankschreibungen widmen, deren starker Anstieg in den vergangenen Jahren den Staatshaushalt enorm belastet hat. Mit rund 40 Tagen pro Jahr liegt der Krankenstand deutlich über dem EU-Durchschnitt. Geplant sind nun offensive Maßnahmen zur Rehabilitierung wie auch zur Kontrolle der Patienten. Generell härter bestraft werden sollen jene Bürger, die aufgrund falscher Angaben den Sozialstaat schröpfen. Eine Gesetzesvorlage sieht für Sozialbetrug bis zu vier Jahren Gefängnis vor.

Kampfansage

Zum besonderen Hassobjekt in Teilen der muslimischen Bevölkerung ist unterdessen Integrations- und Gleichstellungsministerin Nyamko Sabuni geworden. Nach der konsequenten Kampfansage gegen die Unterdrückung vor allem von Frauen und Mädchen im Namen des Islam lebt Sabuni mit ständigen Todesdrohungen. Ihre geplanten Termine werden im Gegensatz zu denen ihrer Regierungskollegen nicht mehr veröffentlicht. Der 37-jährigen Tochter kongolesischer Flüchtlinge, rechtsliberalen Politikerin und ersten aus Afrika stammenden Ministerin Schwedens brachte auch ihre Forderung nach einer Sprachprüfung für Einwanderer scharfe Kritik ein.

Dieses Paket an Maßnahmen hat bei vielen Schweden nach einem halben Jahr bürgerlicher Regierungszeit nun offenbar Katzenjammer ausgelöst: Nach den jüngsten Meinungsumfragen kommt die Koalition unter Premier Reinfeldt gerade noch auf 41,4 Prozent, während die Sozialdemokraten mit 41,1 Prozent die stärksten Werte seit fünf Jahren erreichen. (Von Anne Rentzsch, DER STANDARD, Printausgabe 2.5.2007)