Das tägliche Einnehmen von Pillen ist für viele belastend, eigenmächtiges Absetzen aber gefährlich.

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Für die Sozialmedizinerin Anita Rieder ist das die größte Herausforderung bei der Behandlung von Bluthochdruck, dass Patienten an der Stange gehalten werden. "Viele hören irgendwann mit der Behandlung auf, verändern Dosierungen nach Gefühl oder den Ratschlägen der Nachbarin", so Rieder. Solche Experimente sind riskant. Wer die Behandlung ganz absetzt, wird zwar vielleicht nichts spüren, nach Jahren können jedoch Symptome wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Kurzatmigkeit und verschwommenes Sehen auftreten.

Schlechte Erfahrung mit Blutdrucksenkern

Das Einhalten der Pillen-Verordnung fällt oft schwer, wenn gleichzeitig mehrere Blutdrucksenker eingenommen werden sollen, das soll aber durch Kombi-Präparate, in denen mehrere Wirkstoffe in eine Pille verpackt sind, gemildert werden.

Ein weiterer Grund für die schwache Pillen-Moral mag in schlechten Erfahrungen liegen, die viele mit Blutdrucksenkern gemacht haben. Das wiederum kann seine Ursache beim Versuch haben, Kosten zu sparen.

Zehn Prozent des Arzneimittelmarktes

Tatsächlich würden billigere Medikamente für die Bluthochdruckpatienten die Krankenkassen entlasten. Deutsche Versicherungen geben für diese Menschen pro Jahr drei Milliarden Euro aus, das entspricht rund zehn Prozent des Arzneimittelmarktes.

Billiger wären Entwässerungsmittel. Jüngst empfahl das deutsche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen diese Arzneien, weil sie für bestimmte Patienten billiger und ebenso wirksam wären wie teure Blutdrucksenker.

Nebenwirkungen wie Kaliummangel und Impotenz

Prompt machten Mediziner darauf aufmerksam, dass eine ausschließliche Behandlung mit diesen Wirkstoffen Nebenwirkungen wie Kaliummangel, erhöhten Blutzuckerspiegel und auch Impotenz auslösen kann. Letzteres sei ein verbreiteter Grund dafür, dass betroffene Patienten ihre Hochdruck-Medikation absetzen, polterte der deutsche Kardiologe Thomas Eschenhagen von Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

Genaue Kontrolle

Weniger auf Erleichterung als vielmehr auf Kontrolle setzte der Technologieentwickler Austrian Research Centers Seibersdorf gemeinsam mit der Universitätsklinik Graz. Die Ingenieure statteten Bluthochdruckpatienten mit einem MMS-fähigen Handy und einem Blutdruckmesser aus. Ergebnisse werden per Handy fotografiert, weitergeschickt und per Bilderkennungssoftware ausgewertet. Auf diese Weise konnten Ärzte die Reaktion des Patienten etwa auf ein neues Medikament genau nachverfolgen.

Einfach Abgesetzt

Was passiert, wenn Patienten eigenmächtig ihre Medikamente absetzen, untersuchte Anita Rieder gemeinsam mit Kollegen aus Kanada in drei mitteleuropäischen Ländern. Die Forscher entdeckten dutzende Fälle von nicht diagnostiziertem Bluthochdruck und konnten feststellen, dass selbst bei vorübergehendem Absetzen Blutdruckwerte signifikant höher waren als bei den treuen Pillenschluckern. (derk/MEDSTANDARD/30.04.2007)