Chris And The Other Girls: "They Will Say I've Been Trying Too Hard"

In Skandinavien ist Songwriting zwischen Akustik-Pop, Folk und Americana fast schon zur Hauptströmung innerhalb der Independent-Musik geworden - in unseren dröhnungsverliebten Breitengraden bleibt es eher eine Ausnahme. - Umso erfreulicher, eine Platte - ein Debüt-Album zumal - wie diese in die Finger zu bekommen. Der aus Bozen stammende Wahlwiener Christian Pitschl baut an einigen Stellen Streicher ein (ein Cello ist manchen ja ein Gräuel - ich hab da ein Faible für), meistens bleiben die Arrangements aber in der Minimal-Variante gehalten: Schlicht, unprätentiös und einfach schön. Yep, da passt einfach alles. (Coffee and Records/Hoanzl)

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Chris And The Other Girls

Coverfoto: Coffee and Records

Tarwater: "Spider Smile"

Seit ihrem Album "Silur" (1998) für mich eine der besten und ganz sicher interessantesten deutschen Bands, zeigen sich die Meister des Understatements 2007 in gewohnter Hochform. Wobei "hoch" nicht ganz passt, denn die Electronica-Schöpfungen von Bernd Jestram und Ronald Lippok geben sich stets so dunkel, ruhig und geheimnisvoll wie das Tiefseeleben, das um ozeanische Black Smokers kreist. Tracks wie "Arkestra" oder "World of Things to Touch" tauchen in majestätisch träge Pop-Strömungen auf, und an "A Marriage in Belmont" könnten sich Air ein Beispiel nehmen, wie man Elektronik, Langsamkeit und fernöstliche Saitenklänge kombiniert, ohne in Kitsch zu ertrinken. Zen lässt sich eben nicht zwingen. (Morr Music/Soulseduction)

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Tarwaters MySpace-Seite

Coverfoto: Morr Music

Björk: "Volta"

Skurril die spürbare Erleichterung aller, die mit Björks Promo-Arbeit betraut sind, wie zugänglich ihre Musik doch wieder geworden sei. - Als wäre "Medúlla" das Kettensägen-Freejazz-Massaker gewesen, nur weil das Album a cappella gehalten war. Und als wäre sein Nachfolger "Volta" auch nur einen Deut näher an einem enggesteckten Pop-Begriff dran. Nein, die Frau komponiert längst Klassik fürs 21. Jahrhundert: monumental (herrliche Hörner-Einsätze!) und mit Versatzstücken aus Sounds, die sie in den 90ern geschaffen hat, doch gänzlich ohne die frühere Anschmiegsamkeit. Beachtlich überdies, wie sich zwei so prägnante Stimmen wie ihre und die Antonys im getragenen Duett "The Dull Flame of Desire" aufs Harmonischste verbinden. (One Little Indian/Universal)

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Björk

Coverfoto: One Little Indian

Shout Out Louds: "Our Ill Wills"

Euphorie-Pop with a twist: Ganz ähnlich wie bei The Cure selbst in deren allerfröhlichsten Momenten stets ein Paar Tropfen Herzgift im Blut zirkulierten, verhält es sich auch mit den schnellen, hellen Gitarrenpop-Stücken der Shout Out Louds. Wobei die Stockholmer Band noch das besondere Glück hat, mit Gitarrist Adam Olenius und Keyboarderin Bebban Stenborg gleich über zwei Singstimmen zu verfügen, die jede für sich eine Band tragen können und den einzelnen Stücken ihren individuellen Stempel aufdrücken: Er der Schwelgerische, sie die Coole. Gute Kombination, gute Platte. (Haldern Pop/Hoanzl)

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Shout Out Louds

Coverfoto: Haldern Pop Recordings

Analogik: "Søens Folk"

Mit einem "Russischen Wiegenlied" und dem Sound aus dem Shtetl geht es hinaus aufs Meer und in musikalische Bereiche, die sich wahrlich "Weltmusik" nennen dürfen. Das Quartett Analogik aus dem dänischen Århus greift für seinen ersten Longplayer mit Seefahrtsmotto auf so weit gestreute Stilrichtungen wie Dub, Bossanova, Dixieland und Tango zurück: Stets in der Sparversion umgesetzt, mit Synthesizer, Laptop-Beats und Saxofon bestückt. Und trotz musikalischer Seriosität ein nicht zu verleugnendes Element cartoonhafter Komik mit einbauend: Zu manchen Stücken glaubt man fast Kater Karlo um die Lautsprecherboxen schleichen zu sehen ... (Soulseduction)

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Analogik

Coverfoto: Soulseduction

Kreisky: "Kreisky"

Ob Franz Adrian Wenzl selbst noch den Überblick über all seine musikalischen Inkarnationen hat? Nach bzw. neben avantgardistischeren Projekten wie Gelée Royale (gemeinsam mit Martin Max Offenhuber; jetzt ebenfalls Kreisky-Mitglied) und ganz zu schweigen von seinem zweiten Leben als Austrofred zückt der Österreicher hier die Rock-Karte. Die seit jeher gehegte Liebe zum musikalisch Verqueren schlägt aber auch hier durch - und so nah ans Erreichen eines Heinz-Publikums wie mit dem Mini-Hit "Wo Woman ist, da ist auch Cry" kommt das ebenso schräge wie intelligente Album sonst nicht. (Wohnzimmer Records/Hoanzl)

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Kreisky

Coverfoto: Wohnzimmer

The Decemberists: "The Táin"

Ein Touch von Rockoper: Die US-Band um Colin Meloy hat ihre aktuelle EP in fünf Teilen um eine historische Legende aus Nordirland gruppiert (muss man nicht wissen, ist jedenfalls eine ziemlich deftige Geschichte): Auf ein bluesiges Intro folgt Bombast-Rock, ein Hymnus, in dem die weiblichen Bandmitglieder zum Engelschor mutieren, eine stille Moritat mit Akkordeon und Rachel Blumberg am Mikro und abschließend noch mal dreschende Gitarren zu Marschtrommeln. All das Teile einer einzigen 18-minütigen Nummer: Der hehren Tante Kunst ist mit der Durchprogrammierung Genüge getan ... ihre kleinliche Nichte Konsumentenfreundlichkeit hätte sich aber doch über individuell ansteuerbare Tracks gefreut. (Acuarela/Soulseduction)

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The Decemberists

Coverfoto: Acuarela

Fertig, Los!: "Das Herz ist ein Sammler"

Der Nachschub an frischen, optimistischen, auf Glück und Nöte von Teens und Twens konzentrierten Gitarrenbands deutscher Zunge strömt ungebremst. Jüngstes Beispiel ist das Münchner Quartett Fertig, Los!, das mit Hilfe der Produzenten von Madsen und Slut sein schnelles und melodienverliebtes Debüt-Album zusammengestellt hat. Könnte als trivial abgetan werden, ist aber erstens kompositorisch geglückt und zweitens nicht weniger authentisch als seine erkennbaren Vorbilder - geht es bei jeder nachwachsenden Generation doch aufs Neue um
L(i)eben oder Tod. (Sony)

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Fertig, Los!

Coverfoto: Sony

Erdmöbel: "No. 1 Hits"

*kicher* Dass Erdmöbel auf wenig Gegenliebe beim Lieblingsplatten-Publikum stoßen würden, war irgendwie abzusehen. Wirft die Platte doch die Frage auf: Wozu übersetzen die Kölner Welthits der Bee Gees, Nirvanas oder Robbie Williams' ins Deutsche, wenn sich damit kein ersichtliches weiteres Ziel verknüpft? Nicht einmal eine Verarschung lässt sich aus "No. 1 Hits" ableiten: die Stücke werden einfach übertragen und im gediegenen Erdmöbel-Stil gespielt, also rennt auch musikalisch kein Schmäh. Es mag für Viele nicht nachvollziehbar sein, aber: Genau das ist es, was die Platte interessant macht. (Sony)

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Erdmöbel

Coverfoto: Sony

Misha: "Teardrop Sweetheart"

Einander finden und wieder verlieren: Mishas Liebeslieder mit Wong Kar-Wai-Filmen zu vergleichen, nur weil Ashley Yao und John Chao (ursprünglich Taiwan, jetzt New York) ungefähr aus der Gegend des Regisseurs (Hong Kong, genau genommen) stammen, mag ebenso billig klingen wie die ätzenden und nicht tot zu kriegenden "Elfen"-Assoziationen zu isländischer Musik. Andererseits ist die inhaltliche Parallele dem Duo selbst schon aufgefallen. Eingebettet wird die bittersüße Grundstimmung in eine leichtfüßige und blütenfrische Kombination von Elektro- und Sixties-Pop: Eine Platte für die Jahresbestenliste. (Tomlab/Soulseduction)

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Mishas MySpace-Seite

Coverfoto: Tomlab