Mit seinem neuen Handy N95

hat sich Nokia selbst bei der Vorstellung im vergangenen Herbst die Latte sehr hoch gelegt. Das N95 ist Nokias erstes Handy mit eingebautem GPS-System zur Navigation am Handy, das erste mit Fünf-Megapixel-Kamera und neuem doppelseitigem Schiebemechanismus für zwei Tastaturen.

Foto: Nokia

Wo also anfangen,

um die hohen Ansprüche an der Praxis zu messen? Am besten beim GPS, da Handynavigation das Potenzial zu einer viel genutzten Anwendung hat. Freundlich formuliert: Die Lotsendienste durch Wien, die mir mein N95 in den vergangenen Tagen anbot, waren suboptimal. Die GPS-Ortung braucht selbst auf offenen Plätzen oft zehn oder mehr Minuten zur Standortbestimmung, in engeren Straßen fällt sie oft aus. Die ausgewählten Routen: anfangs amüsant, dann oft ein Ärgernis.

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Als alltägliches Navi halte

ich das N95 darum derzeit für untauglich, da Reaktionszeiten und Ausfälle beim Autofahren inakzeptabel sind. Gute Dienste leistet es möglicherweise auf Reisen zur Routenplanung oder für Zusatzinformationen wie Restaurants oder Sehenswürdigkeiten. Das Online-Kartensystem wird per Download nur um benötigte Bausteine erweitert (die dann am Speicher offline verfügbar bleiben).

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Preisfrage

Das kostet: z. B. rund sieben Euro für siebentägige Nutzung der benötigten Karten samt Zusatzinformation; 70 Euro für eine dreijährige Lizenz wie Österreich, Deutschland und Schweiz im Paket. Downloads sollte man im billigen Heimatnetz oder über Wifi vornehmen, sonst gibt es heftige Roaminggebühren.

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Mit Fünf-Megapixel-Kamera

und Carl-Zeiss-Optik hat Nokia die Fotoevolution einen logischen Schritt (von bisher drei Megapixel) weitergeführt. Die Qualität der Bilder hat gewonnen, und in gutem Licht und bei wenig bewegten Objekten liefert das N95 Bilder, die nahe an vergleichbare Digitalkameras herankommen. Und die Videofunktion nähert sich bei 640 x 480 Pixel Auflösung und 30 Bildern pro Sekunde der von Videokameras an.

Foto: Nokia

Allerdings bleibt ein großer Einwand:

Das N95 ist weiterhin, wie auch andere Handys, unglaublich träge - die Zeit bis zur Fotobereitschaft, die Auslöseverzögerung und die Zeit bis zum nächsten Bild sind quälend lange. Ich wünschte, Nokia und andere Hersteller würden ihre Verbesserungen in dieser Richtung vorantreiben, statt das Megapixel-Rennen zu beschleunigen. Denn bei kleinen Sensoren, wie am Handy, steigt mit den Megapixel auch das Bildrauschen.

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Langsame Reaktionszeit

ist auch die Kritik an vielen anderen Features: Der Preis des "Multimedia" im Namen ist rundum träges Verhalten, entweder schafft es das Betriebssystem nicht, oder die Hardware nicht, oder beides. Das ist kein besonderes Problem des N95, sondern aller "Multimediacomputer", wie Nokia die Kategorie gern nennt, und auch verschiedener Hersteller.

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Wer daran gewöhnt ist,

wird auch am N95 keinen Anstoß nehmen. Aber um universelle Ansprüche zu erfüllen, ist ein Leistungsschub dringend nötig. Auch bei der Batterie: Einen Tag durchzukommen erfordert sorgsamen Umgang - wehe, wenn man vergisst aus der Navigation auszusteigen, dann ist es rasch um die Batteriereserve geschehen.
Dass alles gesagt bleibt, gebührt Nokia Anerkennung, seine Ambitionen mit dem N95 ein gutes Stück weitergedreht zu haben. Aber bei einem Preis von 819 Euro (ohne Speicherkarte) erscheint das N95 in seiner ersten Version etwas überambitioniert.(Helmut Spudich/DER STANDARD, Printausgabe vom 26.4.2007)

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