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„Wir haben doch Öl und Whiskey“ – das soll die Grundlage der schottischen Unabhängigkeit bilden.

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Die schottischen Nationalisten unter der charismatischen Führung des Ökonomen Alex Salmond versprechen ein Referendum über die Unabhängigkeit in etwa drei Jahren, sofern sie zur stärksten Kraft im Parlament werden und Salmond Erster Minister einer Koalition wird.

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Blair und Labour schlägt hingegen Skepsis entgegen: "Weshalb sollte ich Tony Blair wählen, der doch bloß Maggie Thatcher im Schafspelz ist?“ fragt eine Sozialistin.

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„Die Unabhängigkeit wäre gut, denn schlimmer als jetzt kann es ja kaum werden“, meint der junge Gary, der sich als „Vollblut-Schotten“ bezeichnet. In O’Neill’s Pub, einem irischen Lokal in der Altstadt von Aberdeen, entspannt sich Gary mit zwei Freunden von seinem Tagewerk. „Wir haben doch Öl und Whiskey“ – das soll die Grundlage der schottischen Unabhängigkeit bilden, deshalb will er in der bevorstehenden Parlamentswahl für die Scottish National Party, die SNP, stimmen. Hält er denn den Austritt Schottlands aus dem Vereinigten Königreich, exakt zum 300. Geburtstag dieser Union, für wahrscheinlich?

„Nein“, versetzt er nach kurzer Pause etwas betreten. Garys Freund Gordon, ein Spediteur, bleibt der seit Jahrzehnten führenden Partei Schottlands, Labour, treu: „Die Unabhängigkeit ist ein sentimentaler Traum, wir könnten uns auch mit den Ölgeldern nicht selbst verwalten.“ Aberdeen, der größte Hafen Schottlands und das Hauptquartier der britischen Erdöl-Förderung in der Nordsee, ist ein passender Ort für diese Überlegungen.

Boom

Die aus Granit erbaute Stadt erlebt gegenwärtig einen Boom, denn der hohe Ölpreis schiebt auch kleinere Vorkommen wieder in die Gewinnzone. „Ja, es boomt“, gibt der bullige Mechaniker John, der nach eigenen Angaben aus der „Republik Liverpool“ kommt, zu. „Aber das nützt Schottland nichts, alles fließt in die Kassen in Westminister.“ Deshalb will auch der Engländer, der seit zwanzig Jahren draußen auf den Bohrinseln arbeitet, diesmal der SNP den Vorzug geben.

Tatsächlich profitiert Schottland nur indirekt vom Öl: rund 140 000 Arbeitsplätze (in Aberdeen jeder vierte) und zusätzliche Investitionen vom ganzen Versorgungssektor. Aber die Steuern und Abgaben fließen allesamt nach London; pro Jahr sind das immerhin etwa 15 Milliarden Euro. Im Gegenzug schickt die britische Regierung jährlich eine Pauschal-Subvention nach Edinburgh, um den übergroßen Staatssektor in Schottland zu finanzieren. Die 1999 eingerichtete autonome Regierung gibt letztlich nur diese transferierten Gelder aus.

Zweifel regen sich

Die schottischen Nationalisten unter der charismatischen Führung des Ökonomen Alex Salmond versprechen ein Referendum über die Unabhängigkeit in etwa drei Jahren, sofern sie zur stärksten Kraft im Parlament werden und Salmond Erster Minister einer Koalition wird. Neuerdings sind auch die Engländer laut Meinungsumfragen für die Trennung, aber bei den Schotten regen sich ernsthafte Zweifel: Vor ein paar Monaten vermochte sich noch die Hälfte der Befragten dafür zu begeistern, inzwischen ist es nur noch ein gutes Viertel.

Sandy, ein älterer Herr aus dem schottischen Hochland, der lange Jahre in der britischen Armee gedient hat, sitzt mit seiner Frau an einem der langen Holztische im Pub. Er will überraschenderweise auch die SNP wählen, aber nur, weil er deren Kandidatin in seinem Wahlkreis mag. „Die sprichwörtliche Vernunft der Schotten wird die Teilung verhindern. Wir sind stärker als Nation innerhalb einer Nation“, erklärt er bedächtig.

"Maggie Thatcher im Schafspelz"

Am Nebentisch hat sich die blonde Fiona mit einer Freundin hingesetzt. „Ich bin Labour-Anhängerin, aber ich bin Sozialistin. Weshalb sollte ich Tony Blair wählen, der doch bloß Maggie Thatcher im Schafspelz ist?“ Deshalb wird sie am nächsten Donnerstag aus Protest zu Hause bleiben. Auch sie lehnt die Unabhängigkeit ab, pikanterweise, weil sie befürchtet, dass eine dominante SNP billigen antienglischen Rassismus schüren könnte.

Der Konsens in O’Neill’s Bar ist deutlich: Labour soll einen Denkzettel erhalten. Und weil die Konservativen in Schottland noch immer Seltenheitswert haben, bieten sich die Nationalisten an. Der Politologe Michael Dyer von der Uni Aberdeen zerpflückt deren Wirtschaftsprogramm genüsslich: „Sie sind Populisten; sie bieten einen skandinavischen Wohlfahrtsstaat mit irischen Steuersätzen an.“

Die Prachtstraße von Aberdeen, ein auf Brückenbögen errichtetes Meisterwerk der Ingenieurskunst, heißt passenderweise Union Street. Allerdings nicht nach der Union zwischen England und Schottland von 1707, sondern nach der Union Großbritanniens mit Irland ein knappes Jahrhundert später. Und diese Verschmelzung erwies sich ja nicht als dauerhaft, die SNP verweist gerne auf Irlands Blüte als unabhängiger Staat. Trotzdem scheint das Vereinigte Königreich auf absehbare Zeit gesichert, obwohl der Schutzheilige der SNP, Sean Connery, versprochen hat, er werde aus seinem karibischen Exil in ein unabhängiges Schottland heimkehren. (Martin Alioth aus Aberdeen, DER STANDARD, Printausgabe 26.4.2007)