Wirtschaftswissenschafter Karl Fröschl in einem Besprechungsraum des EC3: Am Zentrum werden unter anderem Metasuchmaschinen entwickelt, die Transporteuren die Arbeit erleichtern sollten.

Foto: Standard/Lisi Gradnitzer
Das E-Commerce Competence Center in Wien lockte zuletzt in die virtuelle Welt von "Second Life". Peter Illetschko sprach mit Karl Fröschl, dem wissenschaftlichen Leiter des Zentrums, über Realitäten, die Zukunft des EC3 und eigene Pläne.


Standard: Seit vergangenem Herbst können Studenten der Wirtschaftsinformatik dank TU Wien und EC3 eine Vorlesung mit dem Schwerpunkt E-Commerce in "Second Life" (siehe Wissen im Anschluss des Artikels) besuchen. Wie erleben Sie die Parallelwelt im Internet, wo sich jeder einen virtuellen Stellvertreter schaffen kann?
Fröschl: Mir persönlich gibt es nichts. Ich ziehe noch immer den Prater einem virtuellen Besuch des Riesenrades vor. Die Technik in "Second Life" funktioniert auch noch nicht hundertprozentig. Man darf aber schon nachdenken darüber, ob es Geschäftsmodelle in "Second Life" gibt, die für die Wirtschaft interessant wären. Eine neue Art der Visualisierung von Kundenbeziehungen vielleicht. Es steht ja noch alles am Anfang. Und es ist ein Hype, den wir mit Verlaub, was ganz legitim ist, auch nutzen, um Inhalte zu transportieren.

Standard: Sehen Sie "Second Life" nur als Marketinginstrument?
Fröschl: Nicht nur, aber auch. Wenn Professoren, die bei uns arbeiten, ein neues Paper rausbringen, interessiert das kaum jemanden. Wenn wir eine Presseaussendung zum Thema "Second Life" ausschicken, dann rufen alle an. Auch Sie fragen gleich danach. Und wir haben die Gelegenheit, dabei vielleicht auch andere Forschungsinhalte zu präsentieren, die mehr mit der Realität von EC3 zu tun haben.

Standard: Und die wären?
Fröschl: Sehr vereinfacht gesprochen: Wir versuchen zum Beispiel, sehr komplexe Daten zu kodieren, um sie dann leichter zu verknüpfen. Man spricht von so genannten semantischen Technologien. Sie sind die Voraussetzungen für unsere Meta-Suchmaschine, mit der man zum Beispiel in mehreren Tourismusportalen gleichzeitig suchen kann.

Standard: Gibt es dazu weitere aktuelle Projekte?
Fröschl: Wir haben bei Bridge, dem gemeinsamen Förderprogramm der Forschungsförderungsgesellschaft und des Wissenschaftsfonds FWF, ein Projekt zusammen mit Freecom eingereicht, das Logistikern die Arbeit deutlich erleichtern sollte – mit der Metasuchmaschine. Internetbörsen, wo Transportnachfragen gepostet werden, werden "angezapft". Der Content wird für den individuellen Bedarf aufbereitet und an die einzelnen Logistiker weitergegeben, die sich damit Kleinarbeit ersparen. Sie können letztlich auch verhindern, dass zum Beispiel Lkws nach einer Lieferung lange Strecken leer zurückfahren. Stattdessen können die dann Fracht irgendwo am Weg zurück oder nach einem kleinen Umweg mitnehmen.
Transporteure haben ja ein gesteigertes Interesse, aufgrund von Roadpricing keine unnötigen Zusatzkosten entstehen zu lassen. Das ist deren Realität. Natürlich hat das, je mehr Anbieter es von derartigen Plattformen gibt, auch mehr positive volkswirtschaftliche Auswirkungen. Die Profitabilität für die Frächter steigt, das Verkehrsaufkommen und die Umweltbelastung sinken.

Standard: Wenn wir schon von Realitäten sprechen: Wie schaut die Zukunft von EC3 aus? Der Antrag im Comet-Förderprogramm wurde abgelehnt, damit fehlt auch die öffentliche Querfinanzierung.
Fröschl: Wir haben zur Kenntnis genommen, dass wir nicht auf der Empfehlungsliste der von der Forschungsförderungsgesellschaft eingesetzten Jury stehen. Wir werden also keinen Vollantrag stellen. Das kam für uns durchaus unerwartet. Wir würden natürlich schon ganz gerne wissen, woran es denn lag, warum wir abgelehnt wurden.

Standard: Das heißt?
Fröschl: Wir wollen Einblick in die Gutachten. Derzeit hören wir nur Gerüchte, auf die kann man aber nicht wirklich viel geben. Nicht zuletzt könnten wir ja aus den Gutachten lernen. Wir würden uns daher mehr Transparenz wünschen. Unsere Wirtschaftspartner wollen auch wissen, warum wir abgelehnt wurden. Und alle wollen wissen, wie es weitergeht: Als Kompetenzzentrum mit Forschungsauftrag kann man ohne öffentliche Gelder nicht existieren. Wir können schon versuchen, uns nur mit Geldern der Industrie zu finanzieren, aber dann haben wir wohl ein Zentrum für Auftragsforschung, sonst nichts.

Standard: Gibt es keine Chance mehr auf eine öffentliche Querfinanzierung?
Fröschl: Es gibt Signale. Konkretes weiß ich noch nicht. Jetzt heißt es, auch Konsequenzen zu ziehen.

Standard: Was heißt das? Fröschl: Mein Arbeitgeber ist ja die Uni. Ich bin jetzt bis Ende des Jahres sicher am EC3 tätig. Wenn es als Kompetenzzentrum weitergeht, kann ich mir eine Zukunft hier vorstellen. Ich bin Wissenschafter, reine Auftragsarbeit ist nicht mein Lebenszweck. Unter kommerzialisierten Bedingungen stehe ich daher eher nicht mehr zur Verfügung. (D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 25.4. 2007)