Zweifel an der Konsumgesellschaft: Amber (Ashley Johnson) und Don (Greg Kinnear) in "Fast Food Nation".

Foto: Senator
Wien - Die Kollateralschäden industrieller Nahrungsmittelproduktion haben in den letzten Jahren zu einer ganze Serie an Dokumentarfilmen veranlasst. Die Ursachen dafür mögen auch darin liegen, dass Essen immer noch eines jener Felder ist, bei dem die unterschiedlichsten Dinge zusammenkommen - und das oft beschworene Phantom der Globalisierung somit ganz konkrete Formen annehmen kann. US-Dokumentarist Morgan Spurlock hat in Super Size Me im Selbstversuch vorgeführt, wie Fastfood, als Inbegriff US-amerikanischer Konsumkultur, den eigenen Körper verunstalten kann.

Richard Linklater schlägt nun mit Fast Food Nation eine ähnliche Richtung ein. Er hat das gleichnamige Sachbuch von Eric Schlosser für die Leinwand adaptiert, in dem es um einen Einblick in die Logiken von Schnellimbisskonzernen geht, interessanterweise aber daraus einen Spielfilm gemacht. Was der Dokumentarfilm aussparen muss, weil er an bestimmte Grenzen der Darstellbarkeit stößt, lässt sich in einer auf Fakten basierenden Fiktion natürlich einfacher realisieren.

Modellhafte Szenen

Linklater geht es jedoch weniger um schockierende Neuigkeiten über die Herstellung von Burgern als um einen fatalen Zusammenhang von Ökonomie, politischer Verantwortung und fehlendem Bewusstsein von Konsumenten. Auf mehreren erzählerischen Ebenen nähert er sich dem Thema an, um jeweils modellhafte Situationen zu zeigen, die zugleich offen genug sind, um gegenwärtige Szenarien der USA­- einen sehr charakteristischen Ausschnitt vom Dasein rund um die McMall-Einheitskultur - mit einzufangen.

Don (Greg Kinnear), Miterfinder des Erfolgsburgers "The Big One" der Fastfood-Kette Mickey's, ist der erste Protagonist, den Linklater in Richtung Selbsterkenntnis entsendet. Er muss nach Cody, Colorado, zur Fleischfabrik, wo er herausfinden soll, ob in den Burgern tatsächlich Scheiße gelandet ist.

In seiner Mischung aus Naivität und Rechtschaffenheit verkörpert Don den Durchschnittsamerikaner, dessen Mut nur so weit geht, bis er die eigene Existenz bedroht: Ein fulminant aufspielender Bruce Willis ("We all have to eat a little shit from time to time") - der als Realperson Linklaters Liberalismus ziemlich entgegensteht - vermag seinen Aufdeckersinn schnell zu zügeln.

Es ist bezeichnend für Link-later, dass er Don nach dieser Entwicklung einfach aus dem Film schmeißt. Andere Personen, die auf dem Dienstleistungssektor oder als Schwarzarbeiter für den Erhalt des Konzerns ihren Teil leisten, treten dagegen in den Vordergrund: die Jugendliche Amber, die in einer der Filialen hinter der Theke steht, aber allmählich am Sinn ihrer Tätigkeit zu zweifeln beginnt; die Mexikanerin Sylvia, deren Mann in der Fabrik einen Arbeitsunfall erleidet und die dadurch gezwungen ist, selbst in die verabscheute Fabrik zurückzukehren.

Gelegentlich geraten Linklater Szenen zu didaktisch, vor allem dann, wenn die Figuren zu sehr auf ihre Funktion innerhalb des gesellschaftlichen Panoramas eingeschränkt werden. Doch Fast Food Nation möchte zum Glück weniger predigen denn Zusammenhänge aufscheinen lassen: Im Dialog der Figuren, immer schon eine der Stärken Linklaters, wird hier die Rolle des Einzelnen in der Konsumgesellschaft reflektiert.

Dass aber nicht jeder Widerstand vom erhofften Erfolg gekrönt sein kann, zeigt jene treffende Szene, in der ein Zaun um eine Rinderherde durchbrochen wird - diese sich aber nicht vom Fleck rührt. (Dominik Kamalzadeh/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23. 4. 2007)