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Echt oder unecht? In den USA floriert der Markt für gefälschte Diplome. Mehr als eine Million gefälschter Abschlüsse sollen bereits über den "Ladentisch" gegangen sein.

Foto: ap/sarbach
In den USA soll es mehr als 300 Anbieter geben, die "für gutes Geld gute Abschlüsse" veräußern. Ihr Umsatz wird auf rund 500 Millionen Dollar im Jahr geschätzt.

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Online-Universitäten sind aus dem Bildungswesen nicht mehr wegzudenken. Aber auch Annoncen wie diese, die jeder Amerikaner mit E-Mail-Konto fast täglich in seiner Inbox findet: "In zwei Wochen zum Abschluss von Harvard, Yale, Stanford oder MIT? Kein Problem ? Rufen Sie uns an!" Wer darauf eingeht, wird etwa an die "Glendale University" durchgestellt (nicht zu verwechseln mit den renommierten "Glendale Colleges" in Kalifornien und Arizona). Auszüge des Reportertelefonates:

STANDARD: Erzählen Sie mir ein bisschen über Ihr Programm?

Glendale University: Unsere Diplome sind nicht akkreditiert und können nicht als Basis für Aufbaustudien an anderen Hochschulen gebraucht werden. Aber wenn Sie damit auf Jobsuche gehen, fällt das gar nicht auf ? sie sehen denen der UCLA (University of California, Los Angeles) sehr ähnlich! In sieben bis zehn Werktagen können Sie bei uns einen Bachelor, ein MBA oder sogar einen Doktortitel erwerben. Die Sache ist die, dass wir Ihnen aufs Wort glauben, welche Qualifikationen Sie haben! Unser Programm entlohnt Sie für Ihre Berufserfahrung, Privatstudien und Lebenserfahrung. Ich biete Ihnen das alles für einen Schnäppchenpreis von 500 Dollar.

STANDARD: Krieg ich sonst noch was dafür?

Glendale University: Ja, wir schicken Ihnen einen ausführlichen Studiennachweis, in dem jeder Unterricht aufgeführt und benotet ist. Außerdem bekommen Sie von uns eine wandgroße Replik Ihres Diploms auf Edel-Pressspan!

STANDARD: Was, wenn mein Arbeitgeber sich bei Ihnen von der Echtheit meines Diploms überzeugen will?

Glendale University: Ihr Arbeitgeber kann uns jederzeit anrufen, und dann schicken wir ihm beglaubigte Kopien. Die sind auf "Glendale University, Großbritannien" ausgestellt. Keine Sorge, wir haben das raus wie eine Wissenschaft!

STANDARD: Stellen Sie auch Empfehlungsschreiben aus?

Glendale University: Ja, auch das geht. Wie viele brauchen Sie? Zwei? Drei?

STANDARD: Wie viele Studenten hat Glendale?

Glendale University: Wir werden immer populärer!

STANDARD: Bieten Sie überhaupt Schulungen an?

Glendale University: Nein, aber unsere Website lässt es so aussehen.

STANDARD: Ich würde gerne eine Bestnote kriegen ...

Glendale University: Unsere Bestnote ist 3,8 ? Summa cum laude. Sie haben schon einen Bachelor, oder? Ich denke, wir sollten Ihnen 3,8 geben!

STANDARD: Was kann Ihr Institut an konkreten Erfolgsbeispielen vorlegen?

Glendale University: Alles, was ich sagen kann, ist: Wir sind seit 1997 im Geschäft. Ich selber arbeite seit vier Jahren hier und habe nie eine Beschwerde bekommen.

STANDARD: Auch nicht darüber, dass die Glendale University nicht offiziell anerkannt ist?

Glendale University: So etwas spielt nur in der akademischen Welt eine Rolle.

Keine Klassen, keine Akkreditierung, aber einen akademischer Abschluss, der jeden Arbeitgeber überzeugt? Schon 1986 kam ein Untersuchungsausschuss des US-Kongresses zum Schluss, dass "mehr als eine halbe Million Amerikaner ein gefaktes Diplom haben". Die Medien gingen nicht darauf ein. Die akademischen Meinungsmacher blieben stumm.

Die Folge: Heute gibt es mehr als 300 so genannte "Degree Mills", zu deutsch "Diplommühlen". So werden in den USA Anbieter genannt, die für gutes Geld gute Abschlüsse versprechen. "Sie verkaufen jede Woche tausende Diplome, ihr Umsatz beläuft sich auf mehr als 500 Millionen Dollar im Jahr", sagt Allen Ezell. Der ehemalige FBI-Agent ist Co-Autor des Buches "Degree Mills ? The Billion- Dollar Industry That Has Sold Over A Million Fake Diplomas". Darin werden nicht nur die Machenschaften der Schummelindustrie aufgedeckt, sondern auch eine ganze Menge Ratschläge gegeben. Ezell empfiehlt, sich auf jeden Fall beim US- Bildungsministerium zu informieren (www.ope.ed.gov/accre ditation). "Außerdem sollten Sie bei einer Uni in Ihrer Nähe anrufen und sich erkundigen, ob diese das angestrebte Diplom für ein Zusatzstudium anerkennen würde."

So naiv diese Tipps klingen, selbst die UNO macht davon Gebrauch. Deren New Yorker Hauptquartier ist erst kürzlich einem Mitarbeiter auf die Schliche gekommen, der sein Diplom schlicht im Internet gekauft hatte. Der wurde natürlich fristlos entlassen. (Beatrice Uerlings aus New York/DER STANDARD- Printausgabe, 21./22. März 2007)