Freitag, 9.00 Uhr, vor der Universität Wien. Anlässlich des ersten "Jubiläums" der neuen Regierung - 100 Tage ist sie im Amt - verzierte der VSStÖ das Kopfsteinpflaster "mit 100 ungelösten Problemen der Regierung an Österreichs Universitäten". "Die Universität Wien ist nur wenige Meter vom Parlament entfernt, trotzdem scheint die Regierung blind zu sein, wenn es um den Zustand der Unis geht", kritisierte Lisa Schindler, Spitzenkandidatin des VSStÖ.

Foto: burgstaller/derStandard.at

"Hundert Tage schwarze Politik unter rotem Kanzler sind Grund genug, Gusenbauer & Co. an die Probleme von Studierenden zu erinnern", heißt es in einer Aussendung des VSStÖ. "100 Tage wurde nichts angepackt, seit 100 Tagen wird nur evaluiert und in Arbeitsgruppen diskutiert, jetzt ist es Zeit, aktiv zu werden", sagt Ilia Dib, Pressesprecherin des VSStÖ zu derStandard.at.

Foto: burgstaller/derStandard.at

Schindler kritisiert etwa die "Diskriminierung von Menschen nichtdeutscher Muttersprache". "Der EMS-Eignungstest für das Medizinstudium stellt für Studierende, die Deutsch nicht als Muttersprache haben, zugleich auch eine sprachliche Barriere dar, das ist statistisch belegt", meint sie. Weiters werden unter anderem folgende Probleme angeführt: "Neues Uni-Dienstrecht erschwert Einstieg in wissenschaftliche Laufbahn","Kaum Förderungen für Berufsreifeprüfungen", "Auslandssemester oft nicht finanzierbar", "Katastrophales Betreuungsverhältnis bei Diplomarbeiten".

Foto: burgstaller/derStandard.at

"Es geht darum zu zeigen, wie arm wir Studierenden sind", antwortet Christian nicht ganz ohne Ironie auf die Frage, was mit der Bodenplakat-Aktion beabsichtigt sei. Der 25-Jährige studiert Publizistik und Französisch, und arbeitet nebenbei 20 bis 25 Stunden pro Woche als Sportjournalist. "Es ist nicht so schlimm, wie es immer dargestellt wird, aber vielleicht würde ich anders denken, wenn ich etwas Lernintensiveres, wie zum Beispiel Medizin, studieren würde."

Foto: burgstaller/derStandard.at

"Ich finde die Studiengebühren nicht so schlecht. Ich denke, sie motivieren einige sicher dazu, das Studium schneller zu beenden. Meine Eltern finanzieren mich nicht ewig, insofern ist es gut, wenn ich rasch fertig werde", sagt Martina, 22. "Dass sich die Studiengebühren gleich um zehn Prozent erhöhen, wenn man diese nicht innerhalb der vorgegebenen Frist einbezahlt, ist allerdings eine Schweinerei", meint die Publizistik-Studentin. Sie hat für das Sommersemester 2007 415 Euro statt 378,72 inklusive ÖH-Beitrag bezahlt.

Foto: burgstaller/derStandard.at

Dass die Familienbeihilfe an die Eltern und nicht an die Studierenden ausbezahlt wird, ist laut VSSTÖ ein weiteres ungelöstes Problem der aktuellen Bildungspolitik. "Viele Eltern nehmen das Geld als Druckmittel, etwa um ihre Kinder dazu zu drängen, ein Studium nach Wunsch der Eltern aufzunehmen", so Schindler.

Foto: burgstaller/derStandard.at

"Bildungspolitisch hat sich seit der neuen Regierung soweit ich weiß nichts verändert. Einzig die Senkung der Klassenschülerhöchstzahl ist mir in Erinnerung", sagt Manuel, 22, Publizistik-Student. Über das Beihilfensystem ist er ebenfalls nicht glücklich. "Ich bin knapp durchgerutscht und bekomme keine Studienbeihilfe. Jene die Studienbeihilfe beziehen, bekommen vieles zurückerstattet, zum Beispiel die Studiengebühren und das Semesterticket. Ihnen bleibt am Ende vermutlich mehr als mir, aber ich komme durch", meint Manuel.

Foto: burgstaller/derStandard.at

Barbara, 19, studiert Kunstgeschichte im zweiten Semester. Sie findet es "blöd, dass viele bildungspolitische Wahlversprechen nicht eingehalten wurden". Sonst setzt sie sich weniger mit Bildungspolitik auseinander, sie beschäftigt sich nämlich vornehmlich mit "anderen Dingen."

Foto: burgstaller/derStandard.at

"Viele Versprechen wurden gebrochen und am meisten ärgert mich, dass für Medizin noch immer keine Zugangsregelung geschaffen wurde. Ich wünsche mir eine Vereinbarung, die auch vor der EU Bestand hat. Wenn Regelungen ständig geändert werden, dann ist das für alle ärgerlich", meint Norbert, der im vierten Semester Medizin studiert.

Foto: burgstaller/derStandard.at

Nach nicht einmal einer Stunde wurden die 100 ungelösten Probleme der Regierung von einer Raumpflegerin der Uni Wien wieder entfernt.(burg/derStandard.at, 20. April 2007)

Foto: burgstaller/derStandard.at