Franz Hautzinger hat so manches mitgemacht: Er musste etwa für Jahre das Trompetenspiel aufgeben.

Foto: Klara Zalan

... und auch darüber hinaus omnipräsent.

Wien – Zurzeit scheint er einen Lauf zu haben. Franz Hautzinger, der Vierteltontrompeter und Komponist mit Wohnsitz Wien, von nicht wenigen als einer der spannendsten Zeitgenossen der europäischen Improvisationsmusik apostrophiert, schmückt gegenwärtig so ziemlich alles, was (nicht nur) Österreich an einschlägigen Festivals zu bieten hat.

Nach dem Gastspiel beim noch laufenden V:NM-Festival in Graz ist er auch beim Ulrichsberger Kaleidophon präsent, das Ende April Prominenz aus Europa und den USA im Mühlviertel versammelt. Unmittelbar danach düst Hautzinger nach Krems, um mit dem Berliner Zeitkratzer-Ensemble, heuer Artist in Residence beim Donaufestival, spektakuläre Projekte zu realisieren.

Bezüglich des brachialen Programms "Volksmusik", in dessen Rahmen Walzer, Zither und Hackbrett auf ihre Noise-Tauglichkeit getestet werden, sowie der Mitwirkung am monumentalen "Throbbing Gristle Project" wird Hautzinger selbst allerdings erst kurz vor bzw. während der Aufführung wissen, worauf er sich eingelassen hat. Sehr wohl weiß der 44-Jährige dies in Bezug auf das Zusammenspiel mit Manon-Liu Winter, der Wiener Pianistin, mit der er in Ulrichsberg improvisieren wird:

"Hier geht es um den Schnittpunkt verschiedener Ästhetiken, da sie aus der zeitgenössischen Musik kommt, ich ursprünglich aus dem Jazz. Ich freue mich besonders auf ihre Sensibilität in der Interaktion, die ich doch als eine spezifisch weibliche bezeichnen würde."

Dass er zurzeit omnipräsent ist, sieht er selbst eher zufällig. Und doch deutet vieles darauf hin, dass dieser Mann gerade sehr gefragt ist: So wird er auch bei den diesjährigen "Konfrontationen" in Nickelsdorf gastieren. Und er ist Artist in residence von "Musik aktuell 2007", der ambitionierten, von Gottfried Zawichowski gegründeten Initiative zur Förderung zeitgenössischer Klänge.

Hautzinger wählte aus den mehr als 200 Einreichungen deren 100 aus, von denen nun rund ein Drittel von niederösterreichischen Veranstaltern realisiert wird – bei fünfzigprozentigem Kostenzuschuss. Das Motto lautet "solo ... allein ... privat" – und "natürlich habe ich mich darin voll wieder erkannt, mit meiner Geschichte vom totalen Absturz zum 'Notstandsindividualismus', der Position, dass – wenn man schon nirgendwo mitkann – ich mir die Freiheit nehme, meine Musik ganz bewusst selbst zu erfinden."

Hautzinger weiß, wovon er spricht: Immerhin hatte er einst aufgrund einer Lippenlähmung der Trompete für ein volles Jahrzehnt entsagen müssen – um sich sein Instrument schließlich mühsam zurückzuerobern und darauf zu einer unverwechselbaren Soundgrammatik, dokumentiert auf dem grandiosen Solo-Album "Gomberg", zu finden.

Das Nachfolgeprojekt "Gomberg II" wird – im Rahmen von "Musik aktuell" – im Oktober beim Kremser "Kontraste"-Festivals realisiert werden: Anstatt eines einsamen Trompeters werden diesmal deren zehn auf der Bühne stehen, nebst zwei Tubisten: Hautzinger erweitert die auf Gomberg erschlossenen Klangmaterialien per Stimm-Multiplikation ins Orchestrale.

Die Wurzeln

Auf der der Veröffentlichung harrenden Gomberg II-CD klingt das schlichtweg faszinierend: Sinistre, flächige wie blubbernde Soundmorphologien und nie gehörte, orgelartige Clusterbildungen erwecken den Eindruck, hier hätte ein genialer elektronischer Soundtüftler zu warmem obertonreichem Klang gefunden. Hautzinger sieht die Wurzel seiner orchestralen Sehnsüchte indessen anderswo: "Als Kind habe ich mit meinem Vater Platten von Ernst Mosch und den Original Egerländer Musikanten gehört. Der Klang dieser Flügelhörner ist manchmal einfach wahnsinnig schön." (Andreas Felber / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.4.2007)