Johannes Neubert, Geschäftsführer des NTO: "Wir wollen und können die Wiener Philharmoniker nicht imitieren."

Foto: NTO

Wien – Stellt man sich lustig vor – wäre man gerne dabei: Pianist Rudolf Buchbinder, künstlerischer Leiter des neuen, im Sommer startenden Festivals im niederösterreichischen Grafenegg, ruft also etwa beim Kollegen Alfred Brendel an, lädt ihn ein und verhandelt mit ihm Gagen aus. "Nein, so läuft das natürlich nicht!", muss Johannes Neubert lachenen. "Herr Buchbinder sagt, wen er sich vorstellt, spricht zumeist auch mit demjenigen – es ist allerdings meine Aufgabe, im Rahmen der budgetären Möglichkeiten, so viel wie möglich von seinen Wünschen umzusetzen."

Neubert macht das alles weder nebenher noch hauptsächlich. Der Posten als Geschäftsführer beim Grafenegg-Festival und jener andere – als Geschäftsführer des Niederösterreichischen Tonkünstler-Orchesters (seit 2002) – scheinen verschmolzen. Oder anders: Das Grafenegg-Projekt wirkt eher als Teilvorhaben jenes Plans, das Orchester, das nächste Saison seinen 100. Geburtstag feiert, weiter zu entwickeln. Immerhin kommen im Sommer arrivierte Orchestergäste aus London, der Tschechischen Republik und Israel – mit denen wird man sich beim eigenen Festival schon messen müssen. Neubert freut das denn auch: "Der Erfolg des Festivals ist auch an die Entwicklung des Orchesters gebunden", meint der Deutsche, der die Neustrukturierung und -positionierung der Tonkünstler eingeleitet hatte. Und nun die nächste Phase angehen möchte, in der das Image der Flexibilität gefestigt und mit zusätzlicher Qualität aufgeladen werden soll.

Die Marktlücke

Auch international sei dies wichtig. "Es bringt nichts, das imitieren zu wollen, was die Wiener Philharmoniker machen. In dieser Kategorie ist nur ein Platz, der ist besetzt, die Wiener machen das auch verdammt gut. Wenn wir einen guten Platz haben wollen, müssen wir etwas anderes versuchen. Auch wir spielen Wiener Hörner und Oboen – übrigens neben den Philharmonikern als einiges Orchester in Österreich. Aber wir wollen und können nicht imitieren, wollen eher nach dem Motto 'traditionell unkonventionell' agieren. Wir spielen beispielsweise auf Tourneen Beethoven, aber auch Sibelius, zudem eben unbedingt auch Arvo Pärt und John Adams. Für diesen Mix wollen wir stehen!"

Die Philosophie bildet sich auch im Programm der Jubiläumssaison ab: Die Komponistenliste beginnt mit Adams und endet mit Turnage. Es soll auch drei Uraufführungen geben – von Pärt, Lukas Ligeti und Schwertsik. Und das ganz Andere bringt der Zyklus "Plugged-In"; da werden die Tonkünstler mit Solisten wie James Morrison und Dhafer Youssef neue Stilwege beschritten. Nebst einer England-Tournee 2008 bringt auch das Orchesteraustauschprojekt für die 100 Musiker Reiseaktivitäten auch in Nachbarländer mit sich.

Die Finanzen

Ihre Finanzbasis besteht aus jenen 8,3 Millionen Euro vom Land Niederösterreich (plus 220.000 Euro vom Bund); die Eigendeckung dürfte so bei 20 Prozent liegen. Gehaltsmäßig liege man nicht schlecht, im Durchschnitt etwas so bei 3000 Euro, so Neubert. Etwas Bauchweh bereitet ihm der Bereich der Stimmführer. "Wenn wir da mithalten wollen, müsste nachgebessert werden." Die Fluktuation innerhalb des Orchesters sei gering, Abgänge gab es in Richtung Staatsopernorchester. "Da muss man realistisch sein. Die Philharmoniker sind nun einmal der Traum eines jeden Orchestermusikers." Allerdings, wer andere als nur klassisch-romantische Repertoirebedürfnisse hat, der wäre beim NTO gut aufgehoben. (Ljubiša Tošic / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.4.2007)