Willkommen im trashigen, verwundbaren, präzisen, poetischen Kino des Peter Kern: Endlich ist dem österreichischen Regisseur, Schauspieler und Kollaborateur von Fassbinder, Zadek und Schlingensief im Metro Kino eine Retrospektive gewidmet.
Wien – Der Prophet, er gilt nichts im eigenen Land, auch und erst recht, wenn er ein sehr "blader" Prophet ist.
Traf man in den letzten Jahren Peter Kern am Rande von Filmveranstaltungen oder in diversen Kaffeehäusern, dann gipfelte das nicht selten in: "Man nimmt mich nicht wahr!" Oder in einem bösen Kichern über "Trotteln". Tatsächlich: Unzählige abgewiesene Ansuchen auf Theater- oder Filmförderungen sind eine befremdliche Reaktion auf diesen Mann, der das deutschsprachige Bühnen- und Laufbildgeschehen mitgeprägt hat wie kaum ein anderer heimischer Künstler in den letzten Jahrzehnten.
Peter Kern hat mit Syberberg, Fassbinder ("Faustrecht der Freiheit") und Wenders ("Falsche Bewegung") gearbeitet. Er hat Christoph Schlingensief inspiriert. Mit Peter Zadek verbindet ihn eine lange Arbeits-Freundschaft. Als Filmregisseur hat er mit Arbeiten wie "Gossenkind", einer brutal anrührenden Stricher-Geschichte, mehrfach Preise eingefahren. Und auch wenn etwa Elfriede Jelinek für das Natur- und Kunstereignis Kern schon einen eigenen Monolog (im Stück "Babel") verfasst hat: In Österreich gilt er immer noch als Underground. Mit seinen oft schwulen Themen und Außenseiterfiguren kann man wenig anfangen. Auch mangels einschlägiger Traditionen – wiewohl: Nicht unbegründet preist Kern Ödön von Horvath als Vorbild.
Grammelknödel!
Immerhin hat nun das Filmarchiv Austria dem Künstler im Wiener Metro Kino eine Werkschau eingerichtet. Dass es dabei nicht zu staatstragend zugehen kann, dafür sorgt Peter Kern – siehe Foto – bevorzugt selbst. An Wien, wo er zuletzt den wunderbaren Low-Budget-Film "Die toten Körper der Lebenden" gedreht hat, würgt er nämlich immer noch wie an einem übergroßen Grammelknödel. Und wenn er sich an diesem Knödel verkutzt: Mahlzeit. Und zwar lachend. "Humor ist das Elixier, ohne das ich den ganzen Horror gar nicht ertragen könnte."
Wie muss man sich eine Herzensbildung zum Kino bei diesem Mann vorstellen? Peter Kern, 1949 im zweiten Hieb geboren, Ex-Wiener-Sängerknabe mit frühen Darstellerambitionen (über tausend Aufführungen spielte er in einer deutschen Tournee-Produktion des Musicals Hair Mitte der 60er-Jahre) – er erinnert sich recht plastisch an sein erstes Filmerlebnis: "Die Nacht vor der Premiere", "in einem kleinen Wiener Kino, mit der damals schon eher schweren Marika Röck. Wie ich da immer versuchte, zwischen ihre Beine zu schauen!" Er erinnert sich an erste Erlebnisse im Rotlichtmilieu: Szenen, "die nicht das waren, was Papa und Mama zuhause im Zimmer, wo wir zu viert schlafen mussten, gekeucht haben ..."
Die Unterdrückten
Gefesselte, Demütige, Erniedrigte: "Das hat mir wahnsinnig gefallen. Meine erste Kamera, das war das Schlüsselloch im Hurenhaus in der Weintraubengasse." Geht ihm, wenn er sich da schwärmerisch in Details verliert, nicht die Fantasie durch?
"Nein", sagt Peter Kern. "Ich versuche immer, genau zu sein. Auch meine Filme sind nichts weniger als sehr genau. Viele Kritiker bezeichnen sie als 'trashig'. Darüber bin ich nicht beleidigt, weil 'Trash' für mich ein Qualitätsbegriff ist. Trotzdem wird man schnell abqualifiziert. Mein 'Müll' ist bewusst erzählt. Für mich ist er bedeutend. Es geht um Menschen, die am Rand stehen, um Unterdrückung, um soziale Zusammenhänge."
Deshalb war Kern auch einer der ersten Filmemacher im deutschen Sprachraum, die dokumentarische Arbeiten mit Spielfilmelementen anreicherten: Werke mit beredten Titeln wie "Crazy Boys – Eine Handvoll Vergnügen", "Ein fetter Film" oder "Haider lebt!" (quasi Kerns erstes Geschenk an seine alte Heimat nach der Rückkehr nach Österreich 2002) erzählen vom Wahren im Verfälschten: "Mit dem Spiel kann ich reale Verhältnisse komprimieren."
Und: "Wenn man so wie ich arbeitet", sagt Peter Kern, "dann muss man immer möglichst zehn Projekte nebeneinander haben, damit eines eine Chance hat. Ich bin ja nicht im Mittelmaß einzuordnen. Also vertrauen die Fördergremien meinen Themen eher selten. Andererseits interessieren mich Stoffe irgendwann nicht mehr, wenn das Warten auf Realisierung länger dauert. Wenn Phantasie entsteht und ich einen Schub kriege, dann will ich auch den Film sofort machen."