Jeweils montags, mittwochs und freitags eine Stadtgeschichte von Thomas Rottenberg

Es war heute. Da hat P. mich dann im Lift angesprochen. Wegen der Taubensache. Und auch wegen des Postings mit dem Plastikrabentipp. Weil P. nämlich nicht glaubt, dass es in Wien keine Plastikraben zur Taubenverscheuchung gibt. Genauer: Sie weiß es. Weil sie selbst einen auf dem Balkongeländer montiert hat.

Freilich: So wirklich wirkungsvoll, meint P. sei das Imitat dann doch nicht. Oder nicht mehr: Drei oder vier Tage lang, lächelte sie verträumt, hätten sich die Fluglästlinge abschrecken lassen. Aber danach wären Balkongeländer und Gartenmöbel wieder angeflogen worden sobald da kein Mensch zu sehen gewesen sei. Und – fast, als wollten die Vögel sich über sie und ihren Plastikhelfer lustig machen – irgendwann sei dann auch Taubenscheiße auf dem armen, falschen Federvieh gepickt. Soviel, meint P., dazu.

Sehr ähnlich

Meinen Einwand, dass halt nicht alles, was schwarz ist, schon einem Raben ähneln müsse, wischte sie vom Tisch: Sie sei zwar keine Ornithologin, aber das Imitat dürfte schon recht nah an der Wirklichkeit gewesen sein. Denn eines Tages habe sie aus dem Fenster gesehen und sich – zum ersten Mal in ihrem Leben – geärgert, keine Handykamera zu besitzen. Am Balkongeländer seien nämlich zwei schwarze Vögel gesessen: Ein echter und ein unechter Rabe. Und der echte habe den falschen Vogel zuerst neugierig beäugt und dann – allem Anschein nach – mit ihm zu turteln versucht. Oder so ähnlich.

Respekt vor der demzufolge größeren Intelligenz der Taube, betont P., habe ihr das aber dennoch nicht eingeimpft. Obwohl sie sich manchmal ein bisserl schlecht fühle, Tiere nicht zu mögen, die nur aufgrund menschlichen Fehlverhaltens lästig und eklig sind. Das, so P., sei ja wie mit den Hunden: Nicht die Taube (oder die Hundekacke) sei das Problem, sondern das vom Menschen verursachte Dreckdilemma. Und im Falle ihrer Hoftauben habe das Problem auch einen Namen und ein Gesicht: Die Nachbarin unter ihr.

Genugtuung

Die, so P., füttere nicht nur, sie lasse auch nisten. Und zwar auf ihrem Balkon. Gutes Zureden sei da sinnlos. Schimpfen sowieso. Und Beschwerden könne man in solchen Fällen ja ohnehin an office@salzamt.at schicken. Aber eines Tages, erzählt P., habe die Natur sich dann auf ihre Seite gesellt – und zurückgeschlagen: Ein Turmfalke habe die Kolonie auf dem Balkon entdeckt – und ein veritables Blutbad angerichtet. Und obwohl sie sonst weder blutdürstig noch rachsüchtig sei, gibt P zu, habe ihr der Anblick der Spuren des Massakers doch ein bisserl – ganz klammheimlich – Genugtuung verschafft. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 18.4.2007)