Ist es möglich, dass der Körper nicht mehr abwehrend gegen Allergien reagiert? Fatima Ferreira über aktuelle Allergieforschungsprojekte an der Universität Salzburg.
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Allergene, jene Substanzen, die die Überempfindlichkeit auslösen, werden genetisch verändert. Sabina Auckenthaler sprach mit ihr über Erfolgsaussichten des Projekts.

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DER STANDARD: Woran arbeiten Sie gerade?
Ferreira: Ich forsche mit meinem Team an der Entwicklung einer neuen Allergieimpfung, die auf künstlich hergestellten Allergenen basiert. Wir versuchen, die allergene Struktur minimal zu verändern, sodass sie vom Immunsystem toleriert wird. Ziel ist, dass dadurch auch auf natürliche Allergene keine Abwehrreaktion des Körpers mehr erfolgt.

DER STANDARD: Worin unterscheidet sich diese Methode von den bisherigen Heilmethoden?
Ferreira: Die bisherigen Verfahren funktionieren nach dem Prinzip der Sensibilisierungstherapie: Dem Körper werden Allergene, die aus dem allergieauslösenden Stoff gewonnen werden, in steigender Dosis injiziert. So gewöhnt sich das Immunsystem langsam daran. Allerdings ist hier das Risiko von Nebenwirkungen sehr hoch.

DER STANDARD: Wie verändern Sie die Allergene?
Ferreira: Mithilfe der Gentechnologie. Eine allergische Reaktion passiert ja dann, wenn das Immunsystem auf einen normalerweise harmlosen Stoff wie Pollen mit Abwehr regiert. Wir wollen herausfinden, welcher Teil des Allergens dafür verantwortlich ist, und diesen verändern.

DER STANDARD: Weiß man heute eigentlich genau, woher Allergien kommen?
Ferreira: Man kann das Risiko, Allergiker zu werden, erben - so viel weiß die Forschung sicher. Außerdem vermutet man, das der Allergenkontakt im Kindesalter eine Rolle spielt sowie die vielen neuen Stoffe in der Umwelt, die der Körper nicht kennt.

DER STANDARD: Immer wieder heißt es, der Grund liege in unserer übertriebenen Hygiene.
Ferreira: Ja, das ist die so genannte Hygiene-Hypothese. Die Idee dahinter ist, dass wir zu wenig Kontakt mit harmlosen Mikroben und Bakterien haben, sodass das Immunsystem nicht lernen kann, mit diesen umzugehen. In der Folge reagiert es dann mit Abwehr auf Substanzen, die eigentlich ungefährlich wären: Es kommt zur Allergie.

DER STANDARD: Und was halten Sie von dieser Hypothese?
Ferreira: Es macht durchaus Sinn. Aber ich bin Forscherin: Ich will gesicherte Ergebnisse und will mich nicht mit Hypothesen begnügen. Und wissenschaftlich nachweisen konnte das bisher niemand.

DER STANDARD: Es heißt auch, dass Kinder, die viel Kontakt mit Tieren haben, weit weniger Allergien bekommen?
Ferreira: Das Problem ist, dass die Studienergebnisse hier teilweise sehr kontrovers sind. Einige Forscher sind überzeugt, dass man durch Haustiere einer Allergie vorbeugen kann, andere glauben das Gegenteil. Man muss hier oft einen größeren Zusammenhang mit einbeziehen, nicht nur Einzelaspekte. Wir wissen zum Beispiel, dass Kinder, die Kontakt zu Tieren haben und oft in der Erde wühlen, weniger an Allergien erkranken. Man kann aber sicher nicht pauschal sagen, Kinder, die auf dem Bauernhof aufwachsen, sind weniger gefährdet. Die Dinge sind komplexer, als sie oft in den Medien dargestellt werden. Über die genauen Mechanismen von Allergien wissen wir einfach noch nicht genug.

DER STANDARD: Das klingt angesichts der stark steigenden Zahlen an Allergikern nicht wirklich beruhigend.
Ferreira: Es gibt viele internationale Netzwerke, die sehr gut funktionieren und wo man nach neuen Methoden forscht. In Österreich ist man in Bereichen der Allergenforschung führend. Allerdings stimmt es auch, dass wir auf einen Durchbruch hoffen müssen. Die Häufigkeit von Allergien hat sich in den letzten zwanzig Jahren verdoppelt - wenn das so weitergeht, leidet bald die Hälfte der Bevölkerung an einer Allergie.

DER STANDARD: Zu einem anderen Thema: Sie sind die zweite Frau in Österreich, die ein Christian-Doppler-Labor leitet. Man könnte sagen, Sie haben Karriere gemacht. Nervt es Sie, wenn Sie auf die Rolle als Frau im Wissenschaftsbetrieb angesprochen werden?
Ferreira: Das nervt mich überhaupt nicht. Im Gegenteil: Wir müssen immer wieder über die Probleme, die Wissenschafterinnen haben, reden und junge Frauen ermutigen und unterstützen. Ich sehe mich da eigentlich gern als Role-Model.

DER STANDARD: Hatten Sie auch Vorbilder? Ferreira: Ich verdanke eigentlich sehr viel meiner Mutter. Sie ist ein sehr offener Mensch und wollte, dass wir Kinder eine Ausbildung machen, damit wir einmal unabhängig sind. Zum Glück hatte ich im Laufe meiner Karriere auch männliche Kollegen und Vorgesetzte, die mich gefördert haben. Sehr unterstützt hat mich auch mein Mann. Das bedeutete manchmal auch, dass er sich und seine Karriere zurücknahm, damit ich weiterkomme. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.04.2007)