SPÖ
Wider die Musealisierung
SPÖ startet Grundsatzdebatte zur Modernisierung der Partei
Wien - Physisch anwesend im noblen "Döblinger Regiment", "mit dem Herzen" aber in der weniger saturierten Goldschlaggasse im 15. Wiener Gemeindebezirk, der mit
der Lebenswelt in der Armbrustergasse 15 in Döbling nur wenig zu tun hat. So drückte es der frühere Bundeskanzler Franz Vranitzky Donnerstagabend in der
Kreisky-Villa aus. Das "Bruno Kreisky Forum für internationalen Dialog" startete mit einer Diskussion zum Thema "In Europa regieren - modern und menschlich
zugleich" die für Herbst geplante Grundsatzdebatte der SPÖ.
Zehn Jahre nach dem Tod des sozialistischen "Sonnenkönigs" scheint es für die SPÖ noch immer verführerisch, die Erfolgsrezepte Kreiskys nachzukochen.
SPÖ-Parteivorsitzender Alfred Gusenbauer wies aber darauf hin, dass die Partei sich "vor jeder falschen Nostalgie hüten muss".
Die österreichische Gesellschaft habe sich seit Kreiskys 70er-Jahren grundlegend verändert und somit auch die Anforderungen an eine moderne Sozialdemokratie. Der
Handlungsspielraum in finanz- und wirtschaftspolitischer Hinsicht sei nicht nur durch den EU-Beitritt eingeschränkt. Die SPÖ müsse eine "solide Gesellschaftsanalyse
durchführen und ein Programm ableiten, das den Modernitätsansprüchen des 21. Jahrhunderts entspricht", forderte Gusenbauer. So könnten die ökonomischen und
sozialen Systeme Westeuropas nur dann aufrechterhalten werden, "wenn es die Möglichkeit der Wanderung in Europa gibt". Europa müsse sich Gedanken machen über
ein "europäisches Arbeitslosenversicherungs- und Pensionssystem". Zumal die Reaktionen der EU-14 auf die FPÖ-Regierungsbeteiligung nicht zuletzt mit dem
Problemthema Migration in Europa zu tun hätten. Aufhetzung sei eine "Gefahr für die europäische Demokratie". Derzeit sei die "österreichische Regierung aber ein
Problem und ein Hemmschuh, weil sie sich geistig nach innen wendet".
Medialisierung
Als nachgerade überhistorisch gültig beschrieb Thomas Meyer, Parteidenker in der deutschen Grundsatzkommission der SPD, die Sozialdemokratie als "Partei der
Chancen und Partei, die Grundsicherheiten schafft". Das Programm der sozialen Gerechtigkeit sei auch unter "Modernitätsbedingungen" nach wie vor gültig. Meyer
lenkte den Blick auch auf die zunehmende Medialisierung politischer Prozesse. "Mediale Formen des Handelns werden Machtstrukturen", dem könnten sich auch SPD
und SPÖ nicht ganz entziehen. Kreisky und Willy Brandt hätten es "meisterhaft" verstanden, "Botschaften dialogisch zu erarbeiten und medial sehr geschickt zu
vermitteln".
Die "Rückgewinnung der Politikfähigkeit", und zwar als explizit europäische Partei, anstatt der "eigenen Musealisierung" vor allem als "bessere Partei für die Älteren"
empfahl indes der Politologe Anton Pelinka der SPÖ. Der Solidaritätsbegriff der SPÖ müsse global werden, zudem sei ein Brückenschlag zwischen
Modernisierungsgewinnern und -verlierern gefordert.
Die erstmalige "Gleichzeitigkeit von technischen Veränderungen, der Veränderung der Institutionen und des Wertewandels" benannte Katharina Krawagna-Pfeifer,
Leiterin der STANDARD-Innenpolitik, als Auslöser für enorme Ängste, auf die die Politik reagieren müsse. Die Auswirkungen der gesellschaftlichen
Transformationsprozesse müssten klarer kommuniziert werden. Nötig sei eine "Bildungsoffensive". (nim)