Bei der Novelle des Übernahmegesetzes (ÜbG) wurde 2006 bekanntlich eine formelle Kontrollschwelle bei 30 Prozent der Stimmrechte von börsennotierten Gesellschaften eingeführt. Der davor geltende materielle Kontrollbegriff war im Vorfeld insbesondere im Zusammenhang mit der Beteiligung der Fries-Gruppe an Böhler-Uddeholm breit diskutiert und zum Teil heftig kritisiert worden.

Bei der Gesetzesänderung wurden jedoch bestimmte Privilegierungen von Kreditinstituten, die nach dem alten ÜbG galten, offenbar versehentlich beseitigt. Dieses Manko wurde jetzt von der Übernahmekommission korrigiert.

Kontroll-Schwelle

Nach dem ÜbG hat derjenige, der eine kontrollierende Beteiligung an börsennotierten Aktiengesellschaft erlangt, ein Übernahmeangebot an alle Aktionäre der Zielgesellschaft zu stellen. Eine kontrollierende Beteiligung wird durch das ÜbG in der Fassung des Übernahmerechts-Änderungsgesetzes (ÜbRÄG 2006) als eine unmittelbare Beteiligung von mehr als 30 Prozent der Stimmrechte definiert.

Der Gesetzgeber anerkennt, dass Kreditinstitute im Rahmen von Wertpapiergeschäften typischerweise eine besondere Funktion erfüllen. Aus diesem Grund sind sie unter bestimmten Voraussetzungen vom übernahmerechtlichen Verbot von Paralleltransaktionen ebenso ausgenommen wie von der Nachzahlungsgarantie bei Bezahlung eines höheren Aktienpreises als im Übernahmeangebot offeriert sowie von den Mindestpreisbestimmungen für Pflichtangebote und Übernahmeangebote. Typische Bankgeschäfte werden bei der Ermittlung von übernahmerechtlich relevanten Transaktionen in Aktien der Zielgesellschaft sowie bei der Ermittlung des Mindestpreises für ein Pflichtangebot oder ein Übernahmeangebot deshalb nicht herangezogen.

Zusätzlich zu dem oben beschriebenen nach wie vor geltenden Bankenprivileg sah die alte Rechtslage in der Ersten Übernahmeverordnung eine spezifische Ausnahme von der Angebotspflicht vor: Wenn ein Kreditinstitut zwischen 20 und 30 Prozent in einer Zielgesellschaft hielt und nicht mehr als zehn Prozent als dem eigenen Geschäftsbetrieb dienende Beteiligung zu qualifizieren waren, war das Institut von der Pflicht zur Legung eines Pflichtangebotes befreit.

Pflichtbefreiung

Darüber hinaus wurden auch im Bereich einer Beteiligung von Kreditinstituten an Zielgesellschaften von mehr als 30 Prozent weitere von dem Kreditinstitut erworbene Aktien der Zielgesellschaft seiner sonstigen Beteiligung nicht zugerechnet. Im Ergebnis bedeutete dies, dass Kreditinstitute für Wertpapiergeschäfte unter bestimmten Voraussetzungen von der Pflicht zur Erstellung eines Pflichtangebotes befreit waren. Mit dem ÜbRÄG 2006 wurde allerdings die Erste Übernahmeverordnung aufgehoben und keine vergleichbare Regelung zur Befreiung von Kreditinstituten von der Pflicht zur Erstellung eines Pflichtangebotes in das ÜbG übernommen. Der Gesetzgeber begründete dies damit, dass angesichts einer formellen Kontrollschwelle von 30 Prozent die ursprüngliche Befreiungsbestimmung keinen Anwendungsbereich mehr hätte. Dabei übersah er jedoch, dass das Bankenprivileg in Bezug auf ein Pflichtangebot auslösende Sachverhalte auch im Geltungsbereich des formellen Kontrollbegriffs, also über 30 Prozent, galt.

"Redaktionsversehen"

Die Übernahmekommission hat nun in einer erst letzte Woche ergangenen Stellungnahme festgehalten, dass das nach alter Rechtslage geltende Bankenprivileg weiterhin aufrecht ist. Sie argumentiert dies damit, dass der Entfall des Bankenprivilegs für Pflichtangebot auslösende Sachverhalte als Redaktionsversehen des Gesetzgebers zu werten ist.

Für diese Lösung spricht eine systematische Betrachtung des ÜbG, wonach Referenztransaktionen von Kreditinstituten, die als Bankgeschäfte zu beurteilen sind, bei der Preisbestimmung eines etwaigen Pflichtangebotes nicht zu berücksichtigen sind. Auch die sonstigen im ÜbG geregelten Fälle des Bankenprivilegs zeigen, dass Bankentransaktionen unter bestimmten Umständen nicht geeignet sind, übernahmerechtliche Konsequenzen auszulösen. Die Anwendung des Bankenprivilegs bleibt jedoch weiterhin von der Erfüllung detaillierter Berichtspflichten gegenüber der Übernahmekommission abhängig. (Albert Birkner, DER STANDARD print, 17.4.2007)