Der 44-jährige Gitarrist und Elektroniker Christian Fennesz zählt seit Ende der 1990er-Jahre mit Alben wie "Hotel Paral.lel" oder "Endless Summer" zu den wenigen heimischen Musikern, die sich auch international etablieren konnten.

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Krems – Der 44-jährige burgenländische Elektronikmusiker Christian Fennesz gastiert nur noch selten in Österreich. Als einer der wenigen heimischen Global Players, hat er sich zwar im siebten Wiener Gemeindebezirk ein fixes Arbeitsstudio eingerichtet und fliegt auch regelmäßig der halbwüchsigen Tochter und Elternsprechtagen wegen nach Wien ein. Sein "soziales Leben" spielt sich mittlerweile allerdings im Lebensmittelpunkt Paris und auf diversen Flughäfen ab, wo er Freunde und Kollegen wie den ebenfalls beim donaufestival gastierenden Wiener Peter Rehberg "mittlerweile öfter trifft als beim Wirt ums Eck".

Der bescheidene, zurückhaltende Gitarrist und Laptop-Künstler startete seine internationale Karriere spätestens Ende der 1990er-Jahre in den Nachwehen des Wiener Elektronik-Booms mit seinem Solodebüt Hotel Paral.lel. Darauf zu hören: zwischen sperrigem Minimalismus, wehmütigen Oberton-Schwingungen, Lärmsplittern und rhythmischen Grundmustern im leicht erhöhten Pulsbereich entworfener "Future Pop", der 2001 auf dem Meisterwerk Endless Summer zur Perfektion gebracht wurde. Von der Fachpresse damals heftig und zurecht abgefeiert, sind diese mit Computer und mit oft bis zur Kenntlichkeit entstellten Gitarren-Sounds entstandenen Tracks neben den damals zeitgleich entworfenen elektronischen Experimenten des britischen Aphex Twin noch immer zentrale und gültige Werke einer Szene, die damals unter dem etwas unglücklichen Begriff "Intelligent Techno" ihren Siegeszug durch die Sitzclubs dieser Welt antrat.

Erst heute, nachdem sich laut Fennesz selbst die Hörgewohnheiten seiner Mutter verändert hätten, die die Kunst ihres Sohnes damals als "reinen Lärm" empfunden hätte, mittlerweile aber als "angenehm" einschätzt, offenbart sich hinter den komplexen und gebrochenen Strukturen eines Albums wie Endless Summerauch die große melodische Schönheit, die in diesem Werk steckt.

"Plastisch und elegant"

Christian Fennesz: "Ich habe 2001 schon geglaubt, dass dieses Album vom Publikum so unmittelbar poppig und zugänglich aufgenommen wird, wie es eigentlich erst heute rezipiert wird. Nachdem es allerdings dann zu Problemen mit der Plattenfirma kam, ging das Album auch kommerziell etwas unter. Immerhin funktionierte es aber als Eintrittskarte in die internationale Szene. Dass es jetzt auf Mego Editions wiederveröffentlicht wurde, liegt zum einen schlicht daran, dass es vergriffen war. Zum anderen erfüllt mich die neuerliche Veröffentlichung bezüglich ,historischer Gerechtigkeit‘ allerdings schon mit Genugtuung. Ich bin ja auch noch einmal drübergegangen. Dank der heutigen Technologie konnte ich es nicht unbedingt lauter, aber doch etwas plastischer und eleganter gestalten. Es steht jetzt dort, wo ich es immer haben wollte."

Mittlerweile ist Fennesz nicht nur mit dem eigenbrötlerischen US-Songwriter Mark Linkous auch jenseits einer gemeinsamen Arbeitsbasis befreundet. Der verfolgt mit seinem Projekt Sparklehorse ähnliche Ziele wie Fennesz, jedoch auf Songbasis. 2005 war Fennesz auch als Gitarrist Teil der Tourband des japanischen Technopop-Superstars Ryuichi Sakamoto (Yellow Magic Orchestra) in dessen Heimat: "Das war ein Wahnsinn. Man kann sich das bei uns gar nicht vorstellen, aber bei Sakamoto hast du in Japan die kreischenden Teenies nicht nur vor der Bühne, sondern auch vor dem Hotel."

Das Duo Fennesz/Sakamoto veröffentlichte gerade auf dem britischen Label Touch mit dem Album Cendre eine zurückgenommene, schwelgerische, soundtrackhafte Ambientplatte zwischen Laptop-, Klavier- und Gitarrensounds. Und nach der Arbeit Blemish, einer ersten Kollaboration mit David Sylvian, dem exzentrischen britischen Gesangstragöden, der in einem früheren Leben mit seiner Band Japan berühmt für edel klingenden Kunstpop war und sich solo hin zu freien Liedformen radikalisierte, ist in Wien gerade mit Grenzland-Jazzern wie Burkhard Stangl oder Franz Hautzinger ein weiteres Album aufgenommen worden.

Ende Mai steht nach Soloauftritten in Mexiko, Litauen oder beim donaufestival eine Tournee mit einem weiteren Großen an. Gemeinsam mit dem US-Extremsänger Mike Patton arbeitet er sich in Duo-Besetzung an Lärmimprovisationen ab. Fennesz: "Eine ziemlich gewagte Sache – die Pet Shop Boys aus der Hölle!"

Raumklang

Berührungsängste mit solch großen Namen habe er nicht. Fennesz: "Wenn Leute an mich wegen Kollaborationen herantreten, haben sie ja auch gewisse Vorstellungen. Die werden ja wissen, was sie von mir wollen." Im September soll eine neue Solo-CD folgen: "Viele Gitarren, keine klare Linie. Ich habe mir gerade eine Konzertgitarre gekauft und es wird auch Gesang geben."

Interessant findet Fennesz aktuell wieder "die Beschäftigung mit dem Raumklang". Das fehle bei digitalen Produktionen vollständig: "Ich allein mit meiner Gitarre in einem Studiosaal, in dem normal Klassikorchester aufnehmen. Das ist aufregend!" (Christian Schachinger / DER STANDARD, Printausgabe, 17.04.2007)