Susanne Wolff (links) und Elisabeth Schwarz als Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin. Macht zwischen Frauen, das kann mann (Regisseur Stemann) wohl nur als Persiflage und Satire darstellen, als Kampf um einen Mann, hier Andreas Baader, der von Frauen nur als Fotzen spricht.
Foto: Standard/Roland Magunia/ddp

Die Gast-Aufführung des Thalia Theaters mit dem Elfriede Jelinek-Stück "Ulrike Maria Stuart" am Burgtheater in Wien wurde in manchen Medien sehr kontrovers rezipiert, der Aspekt der Mündigkeit in Emanzipationssachen wurde jedoch ausgeblendet.


Ein Theaterstück vordergründig zur RAF, zu Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin, auf dem Hintergrund des Königinnendramas Elisabeth und Maria Stuart. "Diese Spielformen weiblicher Herrschaft (...), die alle in den Tod führen, weil politische Herrschaft für eine Frau immer Überschreitung ist, schon indem ihre Weiblichkeit in der Herrschaft überhaupt thematisiert wird (bei Männern ist der Herrschaftsanspruch selbstverständlich), die habe ich festzuhalten versucht", schreibt Jelinek in "Einige Antworten von Elfriede Jelinek" im Programmheft.

Macht von und zwischen Frauen soll also das Grundthema sein, ist es wahrscheinlich bei Jelinek auch – da der Text nicht vorliegt, kann nicht nachgelesen werden, was von dem Regisseur Nicolas Stemann wie überformt wurde. Aufgeführt wird jedoch ein Klamaukstück.
Macht zwischen Frauen, das kann mann wohl nur als Persiflage und Satire darstellen, als Kampf um einen Mann, hier Andreas Baader, der von Frauen nur als Fotzen spricht.

Es gab bei der Uraufführung in Hamburg gescheiterte Versuche, das Stück bzw. Teile davon durch rechtliche Schritte zu verhindern: Bettina Röhl und Marlene Streeruwitz sahen in ihm – aus unterschiedlichen Gründen - eine Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte.

Nicolas Stemann zieht zusätzlich zu den Königinnen-Ebenen Ulrike Meinhof – Maria Stuart und Gudrun Ensslin - Elisabeth I, eine dritte Königinnenebene ein, indem er - außerhalb der Textvorlage von Elfriede Jelinek - in guter, schlechter, Baaderscher Tradition zwei "Fotzen" einen lamentierenden Dialog führen lässt. Die Protagonistinnen stehen mit eindeutig zugeschriebener Identität - Namen und Familiennamen - auf der Bühne, mit körpergroßen Plüsch-Vagina-Mänteln wackelnd und zuckend, aus dem Klitoris-Kopf entfremdete Fetzen eines 1997 tatsächlich erfolgten Zweiergesprächs von sich gebend - lächerlich gemacht bis hin zur Instrumentalisierung des Namens für billigen Spott.
Dieses vor 10 Jahren in "Emma" erschienene Interview von Elfriede Jelinek und Marlene Streeruwitz über "Schreibende Frauen als Fremde dieser Welt" ist heute ebenso treffend und schön wie damals.

Die Assoziation zu den Vagina-Monologen von Eve Ensler (quasi "eine anthropologische Untersuchung", die erotische Fantasien von Frauen, deren Leidenschaft und Begehren, aber auch Enttäuschung oder Missbrauch / Gewalt umfasst) ist nur vordergründig szenisch durch die sprechenden Vagina gegeben. In Überspitzung oder Karikatur der oben zitierten Jelinek Aussage "...indem ihre Weiblichkeit in der Herrschaft überhaupt thematisiert wird", fällt dem Regisseur – in geschmackloser Hilflosigkeit - nur ihre Darstellung als "Fotzen" ein. Der Intendant vom Thalia Theater ist der Meinung, es ginge nicht um Persönlichkeitsverletzungen, sondern "um eine ironisch gebrochene Kunstform". Aber weder in der szenischen Aufarbeitung dieser zwei Figuren, noch in den Interview-Fetzen ist eine ironisch gebrochene Kunstform auszumachen. Sondern nur billigste uralte Klischees die einmal mehr zeigen, wie mann sich Politik vorstellt, wenn Frauen nach der Macht greifen. "Es ist ein Spiel mit Chiffren und Projektionsflächen, es sind keine Menschen, die aufeinander treffen, es sind Karikaturen, bzw. Ideen von Menschen." sagt der Regisseur im Programmheft zu seinem Werk. Die "Karikaturen von Menschen" – in diesem Fall zwei konkrete, persönlich genannte Autorinnen, denen diese Vagina-Figuren zugeschrieben werden, lassen sich formal und inhaltlich nicht anders bestimmen als das was sie zeigen – und zwar deutlich bzw. eindeutig: einen Wiederholungsgestus der Reduktion der sprechenden Frau, der Autorin, auf Geschlecht durch einen männlichen Regisseur, der seine Irritation über den feministischen Gestus der Textvorlage im Publikumsgespräch mit dem Bekenntnis entlarvt: "Ich kann ja kein feministischer Autor sein – oder?" Eine mehr als hilflose Frage.

Es steht jeder Frau zu, diese Darstellung für sich zu akzeptieren, aber darf und kann eine Frau, die darin eine inakzeptable Zuschreibung sieht, sich dagegen wehren, ohne wiederum als zickig und lächerlich abgestempelt zu werden? Allen Anschein nach nicht, und daran haben auch fast 50 Jahre Frauenbewegung nichts geändert. Die Klage auf Unterlassung dieser Szene wurde nach der Uraufführung im Thalia Theater in Hamburg vom Gericht abgewiesen. Medien sprechen von "Zickenkrieg".
Die Freiheit der Kunst – als Schutz der Kunst vor Zensur der Mächtigen erkämpft – ist hier über den Schutz der Persönlichkeitsrechte einer Frau gestellt worden, über den Schutz der Würde einer öffentlichen Person, über den Schutz vor Reduzierung der Frauen auf ihre Geschlechtsteile, auf "Fotze".

Bedenklich, dass das Wehren gegen sexistische Klischees und Zuschreibungen nach wie vor nicht salonfähig ist.