Beengte Raumverhältnisse gehören für die 70 Experten des Dorotheums zum Alltag: hier Georg Ludwigstorff, Spezialist u. a. für Kunst der Silberschmiede und Kaiserhausobjekte.

Foto: Dorotheum

Wien - Ein öffentliches Versatz- oder Leihhaus, so die Idee der Nationalökonomen des 17. Jahrhunderts, sollte den mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten kämpfenden bürgerlichen Mittelstand durch billige Darlehen unterstützen. Unter Kaiser Joseph I. wurde daraus - in erweiterter Form - Realität, als er am 14. März 1707 das Gründungspatent des Versatz- und Fragamts unterzeichnete.

Neben dem Pfandgeschäft sollte auch das Fragamt die Kassen zum Klingeln bringen, eine Verkaufsagentur für unbewegliche und bewegliche Güter. Die feierliche Eröffnung fand dann am 1. April statt. Die Möglichkeit, Gegenstände freiwillig zur Versteigerung zu bringen, bestand vom ersten Tag an, auch wenn diese nur spärlich genutzt wurde. Hingegen erfreuten sich Zwangsversteigerungen regen Zuspruchs, bedauerlicherweise nicht nur seitens des seriösen Publikums, wie Felix Czeike in seiner Publikation zum 275-Jahr-Dorotheum-Jubiläum notierte: "Mehr denn je waren die Professionslicitanten am Werk. Sie drängten sich derart in den Vordergrund, dass sie den Besuchern, die nicht ihrem Kreis angehörten, ein Mitbieten so gut wie unmöglich machten." In Folge erwarben diese die Gegenstände um einen sehr niedrigen Preis und "hielten nach Schluss der Auktion Nachlicitationen ab, deren Erlös sie untereinander aufteilten".

Samuel Baker, Gründer von Sotheby's, veranstaltete am 11. März 1744 die erste Auktion unter seinem Namen und James Christie schwang erstmals am 5. Dezember 1766 den Hammer. Da Auktionen beim Versatz- und Fragamt zu Wien aber seit der Gründung auf dem Programm standen, darf sich das Dorotheum als ältestes Auktionshaus weltweit bezeichnen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erfreuten sich Versteigerungen von Kunstgegenständen - neben jenen von Büchern, Münzen und Briefmarken - in Wien zunehmender Beliebtheit.

Experten im Pfandl

Zur Entwicklung eines zeitgemäßen Auktionshauses trug Erich Graf Kielmansegg maßgeblich bei. Die von ihm eingeleitete Reorganisation des Versatzamtes blieb nicht ohne Auswirkung auf den Versteigerungsbetrieb: Sparten wurden eingeführt und 1900 schlug die Geburtsstunde der so genannten Kunstabteilung.

Mit 40 Antiquitäten- und Sammelsparten ist das Dorotheum gegenwärtig einer der vielseitigsten Anbieter auf dem internationalen Kunstmarkt. Bis 2001 durfte der österreichische Staat vom profitablen Erfolgskuchen naschen. Dann wurde das Dorotheum privatisiert - und vor allem mit einem deutlichen Ausbau der Repräsentanzen an die zeitgemäßen Anforderungen des Marktes angepasst: Zu den Niederlassungen in Prag (seit 1992) und Brüssel (seit 1996) kamen die mittlerweile florierenden in Düsseldorf, München (beide seit 2003) und Mailand (seit 2005), ergänzt um Ansprechpartner in Florenz, Rom, Zagreb und Tokio.

Seinen Wurzeln ist das Dorotheum bis heute treu geblieben. Den in Wien üblichen Spitznamen "Pfandl" mögen die mittlerweile 70 Kunstexperten und andere der insgesamt 400 Mitarbeiter überhaupt nicht leiden.

Gemessen am Auktionsgeschäft - 2006 durfte man neuerlich einen Rekordumsatz in der Höhe von 89 Millionen Euro in die Bücher notieren - wirft der Pfandbereich nur spärlich ab. "Um die zehn, zwölf Prozent", beziffert Martin Böhm, Geschäftsführer des Dorotheums. Und das relativ konstant, gespeist aus 19 Standorten in Österreich.

Im Gegenzug wurden die Handelsgeschäfte in den vergangenen fünf Jahren deutlich ausgebaut, erweitert um "Dorotheum Juwelier", "Dorotheum Galerie", eine eigene Schmuck- und Uhrenlinie, nebst dem Erwerb von OREX, Ungarns größtem Schmuckanbieter. Zahlen will Martin Böhm nicht kommunizieren, nur so viel - der Anteil am Gesamtumsatz dürfte in der Gegend um die 30 Prozent liegen.

Das Kerngeschäft sind Auktionen geblieben, 600 jährlich, davon rund 100 von Katalogen begleitet. 2007 verzichtet man zumindest im ersten Halbjahr auf die seit 1998 zelebrierte Gepflogenheit der so genannten Auktionswochen. Stattdessen gilt es zwei Sondertermine zu notieren: Am 24. und 25. April versammelt man qualitativ hochwertige alte Kunst zur zweitägigen und offiziellen Jubiläumsauktion; rund um den 21. Mai stehen dann das 19. Jahrhundert, Klassische Moderne und Kunst der Gold- und Silberschmiede im Mittelpunkt.

Was sich Martin Böhm selbst zum aktuellen Geburtstag schenkt? Vielleicht ein weiteres Stockwerk auf dem bestehenden Palais-Gebäude? Laut Anrainern gäbe es konkrete Pläne für eine Aufstockung des Palais Dorotheum. Martin Böhm dementiert, "davon wüsste ich". Sein Geschenk ist zeitgemäßer und läuft unter dem Credo "Through the Artist's Eye", künstlerische Interventionen der renommierten Zeitgenossen Lynne Cohen, Peter Kogler, Heike Weber und Erwin Wurm - erstmals zu sehen beim Festakt zum 300-Jahr-Jubiläum am 16. April. (Olga Kronsteiner / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.4.2007)