Jeanne d'Arc, Tochter des Bauern Jacques d'Arc aus der Champagne, war 19 Jahre alt, als sie am 30. Mai 1431 in Rouen verbrannt wurde. Sie hatte Anstoß erregt, weil sie als Mädchen in Männerkleidern auftrat und weil sie sich im Namen Jesu in die Politik eingemischt hatte.

Es war ein kriegerisches Jahrhundert. Frankreich und England kämpften seit vielen Jahren um die Vorherrschaft auf dem Kontinent. Das französische Königtum war schwach, es bedurfte eines Zeichens, um der nationalen Sache wieder Leben einzuhauchen. Dieses Zeichen kam in Gestalt von Jeanne d'Arc. Sie hatte Stimmen gehört, die ihr auftrugen, sich zu Karl VII. zu begeben. Er sollte die Sache der Franzosen in die Hand nehmen. Tatsächlich konnte sie ihn zu einer militärischen Kampagne überreden, an deren Ende er 1429 in Reims zum König gekrönt wurde.

Der Feldzug war damit aber noch nicht zu Ende, und er verlief in der Folge ein wenig zu wechselhaft, als dass die Gegner der jungen Charismatikerin nicht langsam wieder Aufwind bekommen hätten.

Karl VII. zeigte nicht mehr den nötigen Eifer, und er hatte wohl auch nicht den religiösen Ernst seiner unverhofften Beraterin. Jeanne d'Arc wurde in der Folge zu einem Opfer der Realpolitik, die im 15. Jahrhundert immer auch in geistlichem Gewand daherkam. Nachdem sie an die Engländer verkauft worden war, machte ihr der Bischof von Beauvais den Prozess. Gegen die Ranküne der Inquisition halfen ihr auch ihre "Stimmen" nichts. Sie wurde zum Tod verurteilt, unterwarf sich der Autorität der Kirche, widerrief und wurde verbrannt. Schon 25 Jahre später, da hatten die Franzosen den Hundertjährigen Krieg doch noch gewonnen, wurde sie rehabilitiert. Jeanne d'Arc war längst eine Heilige der Herzen. 1920 folgte die offizielle Bestätigung durch die Katholische Kirche, und das französische Parlament erklärte sie zur Schutzpatronin des Landes.

Dieser Tage hat nun sogar Ségolène Royal, linke Kandidatin im aktuellen Präsidentschaftswahlkampf, erkannt, dass "la pucelle" eine mögliche Identifikationsfigur für sie ist. Bisher hatte der Rechte Jean-Marie Le Pen die Nationalheilige für sich gepachtet gehabt. Inzwischen gilt aber fast jede Frau, die in die Politik geht, als eine "neue Jeanne d'Arc", selbst Hillary Clinton.

Johanna von Orléans, wie sie auch genannt wird, ist eine ideale Projektionsfläche - viele Filmkünstler von Robert Bresson bis Luc Besson haben das erkannt. Dabei sind ihre Mission und ihre politische Theologie heute nur noch schwer nachzuvollziehen.

Lange hielt sich die Legende, aus ihrer Asche wären wertvolle Reliquien geborgen worden - damit haben die Forscher nun aufgeräumt. Nicht als Mumie hat Jeanne d'Arc die Zeiten überdauert, sondern als Mythos. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6. April 2007)