STANDARD: In den 90ern sorgten Sie mit einem ausschweifenden Lebenswandel für Schlagzeilen. Haben Sie sich vom Sünder zum Heiligen gewandelt?
Anderson: Gerade eben habe ich zwei Stunden lang Gewichte gestemmt, um gegen Sie im Armdrücken anzutreten! Im Ernst: Ich bin kein Fitness-Apostel geworden. Ich achte nur etwas mehr auf meinen Körper als früher.
STANDARD: Der bekehrte Sünder ist mittlerweile im Rock & Roll eine weit verbreitete Spezies.
Anderson: Sucht ist etwas Extremes, und die meisten Künstler sind extrem. Die Absenz der Droge wird häufig durch andere Süchte oder einen Hang zur Militanz in Gesundheitsfragen kompensiert. Gott sei Dank bin ich davor gefeit. 20 Jahre im britischen Rockgeschäft hat noch niemand drogenfrei überstanden. Das ist unmöglich in diesem Umfeld. Viele Popsternchen und etablierte Mainstream-Stars sind drauf, würden das aber nie zugeben oder gar künstlerisch reflektieren.
STANDARD: Auf dem Cover Ihres Albums wirken Sie nicht gerade glücklich.
Anderson: Ich hoffe, dass es nicht nur traurig und nachdenklich, sondern auch schön klingt. Es ist eine konzentrierte, kontemplative Platte geworden. Und ja, ich empfinde das Leben als tragische Angelegenheit. Aber wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat, kann man auch ganz gut damit leben und die Tragik für die Musik nutzen.
STANDARD: Solo treten Sie deutlich leiser als mit Suede. Die Platte klingt fast ein wenig schlageresk.
Anderson: Künstlerisch ist nichts tragischer, als den Trends hinterherzuhecheln. Ich bin jetzt schon in einem etwas reiferen Alter, und mir ist es herzlich egal, ob ich den aktuellen Hipness-Anforderungen gerecht werde. In diesem Sinn ist mein Album sicher unmodern.
STANDARD: Die Religion ist ein Thema, das in mehreren Songs auftaucht.