Ewiger Dandy in der heimischen Kinolandschaft, dem das Filmarchiv Austria nun eine Retrospektive widmet: Filmregisseur und Produzent Franz Novotny.

Foto: Novotny & Novotny Filmproduktion
Der Wiener Regisseur und Produzent nimmt es gelassen und beschäftigt sich lieber mit zukünftigen Projekten. Eine Begegnung.

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Wien - Ein Ehepaar mit dazugehöriger Krise in einem Geier-Schutzreservat; zwei Herren, die Elsner und Horngacher heißen könnten, auf fortgesetzter Flucht. Vor allem: Filme, die man besser schnell macht, weil sie sonst im Immer-noch-nicht-Filmland Österreich sehr spät, gar nicht oder zu Tode kuriert ins Kino kommen.

Im Kopf des Franz Novotny spielt sich vieles ab. In den Innentaschen seiner immer sehr eleganten Sakkos: Zettel mit Notizen, Klein- und Kleinstbeobachtungen für neue Drehbücher. Am liebsten schreibt er, "weil man sich da noch nicht einschränken muss". Fragt man ihn nach seinem Werdegang, überkommt ihn "bestenfalls historische Wehmut". Dass ihm das Filmarchiv Austria dieser Tage eine Werkschau widmet, findet er "nur bedingt bedeutsam". Dass derzeit in der Standard-DVD-Edition "Der österreichische Film" seine frühen Großtaten Staatsoperette (1977), Exit - Nur keine Panik (1980) und Die Ausgesperrten reißenden Absatz finden: "Das freut, aber ich bin jetzt woanders."

Das "Woanders-Sein" geht bei Novotny eng einher mit der Tatsache, dass er seit jeher in Österreich geblieben ist. Der Grund dafür: "Mangelnde Fremdsprachenkenntnisse, starke Verwurzelung im slawisch-jüdischen Kulturraum" und: hohe Begeisterungsfähigkeit für Sexualität in Wien. Letzteres bringt der Künstler im Interview ein klein wenig deftiger auf den Punkt, was aber hier im O-Ton zitiert zu Missverständnissen führen könnte. Nicht ungern stilisiert er sich zum Großmaul. Kleingeist? Nie!

Halten wir uns also, mit Blick auf einen ewigen Dandy, an ein paar Fakten. Da wäre Anfang der 70er-Jahre ein junger "Fan von Tschinbumm", der im Hinterzimmer einer Greißlerei erste Filmexperimente wagt und wenig später zum Dauerbesucher des damals von Peter Kubelka und Peter Konlechner begründeten Österreichischen Filmmuseums mutiert. Da wären erste Freundschaften in der Wiener Kaffeehaus- und Künstlerszene, in der es zunehmend aktionistisch zu rumoren beginnt. Und: Erste Aufträge beim Staatsfunk, denen Novotny mit einem Paukenschlag ein jähes Ende setzt ("sonst wäre ich zum dauerbeamteten Alkoholiker geworden").

Der Paukenschlag hieß Staatsoperette, Novotnys Kombattant war der Komponist Otto M. Zykan, und Österreich, verdrängungstechnisch in Hochform, regte sich darüber in einem Maße auf, das heutzutage selbst damaligen Novotny-Gegnern wie dem VP-Politiker Heribert Steinbauer ein beschämtes Kopfschütteln abfordert. Novotny erhielt Berufsverbot am Küniglberg. "Rettung durch Selbstverunmöglichung" - wenn man es so nennt, dann blitzt in den Augen des Franz Novotny so etwas wie Wohlgefallen auf.

Es folgte, weil ein junger und - wie er selbst betont: "genialer!" - junger Mensch sich nicht unterkriegen lässt, basierend auf einem gemeinsam mit Gustav Ernst verfassten Drehbuch, eines jener Wunder, die in den Karrieren heimischer Filmemacher viel zu selten passieren.

Exit - Nur keine Panik (1980), auf Österreichisch gesprochen eine einzige Frechheit und einer der wenigen wirklich zeitlosen heimischen Filme der letzten Jahrzehnte: Wien als Prater-und-Vorstadt-Punk-Paradies, Hanno Pöschl und Paulus Manker als marodierende Strizzis und Kleinbürger, Gastauftritte von Eddie Constantine, Peter Weibel, Peter Turrini und Kurt Kren - was bestenfalls einem Underground- und/oder Avantgarde-Publikum zumutbar schien, wurde zu einem der größten heimischen Kinoerfolge. "Erste Ahnungen von dem, was da passiert, hatte ich, als mir vor der Premiere im Wiener Gartenbaukino überteuerte Karten angeboten wurden", sagt Novotny.

Die nächste Gewissheit, dass im Österreich dieser Tage außerordentliche Kollaborationen "ohne Tathemmung" möglich waren, bot schließlich, nach Roman und Drehbuch von Elfriede Jelinek, Die Ausgesperrten (1982), ein Meisterwerk über selbstzerstörerische jugendliche Auflehnung gegen alte Denk- und Verdrängungsmuster, gipfelnd in einem Familienmassaker. Die Kritiken waren begeistert, das Mainstream-Publikum nicht zu gewinnen. Heute würde so ein Film zum internationalen Festivalhit, aber damals war damals.

Und damals zog Franz Novotny, wie er heute selbst sagt, aus dem Misserfolg die falschen Schlüsse. "Nicht funktioniert hat nämlich die Idee, das quasi Beste aus Exit und den Ausgesperrten zu einem Superhit zu bündeln." Der Hit, der dann keiner wurde, hieß Coconuts. Und nein, nicht nur Rainhard Fendrich in einer Hauptrolle ist "schuld" daran, dass diese Action-Komödie sehr schnell wieder in der Versenkung verschwand.

Arbeit. Pausenlos.

Wer nun die weitere Geschichte des Franz Novotny als mehrfach gescheiterte Versuchsanordnung beschreibt, an einige wenige Großtaten anzuschließen, der greift zu kurz. Nicht wenig Ruhm und vor allem viel Geld ("mitunter so viel wie Bundespräsident und Kanzler zusammen") kassierte er in der Werbebranche. Spots für Römerquelle, die Zigarettenmarke Men oder für die SPÖ ("hab ich immer sehr gern gemacht") - sie halfen, "einen Lebensstandard zu etablieren, den man sich sehr schwer abgewöhnt". Und: "Natürlich konzentriert man sich, wenn es viele ,schnelle' Aufträge regnet, nur bedingt auf große Projekte."

Aber, so Franz Novotny mit treuherzigem Augenaufschlag: "Eine neue Demut, an der arbeite ich. Pausenlos." Dieses Woanders ist heute die eigene Produktionsfirma Novotny & Novotny, in der etwa Projekten junger Filmemacher erste Chancen, "nicht selten für einen Apfel und ein Ei" gegeben werden. Eines dieser Projekte, Jakob M. Erwas heile welt, erhielt heuer den großen Diagonale-Spielfilmpreis, und soll im Mai regulär in die Kinos kommen. Novotny selbst arbeitet - siehe das oben zitierte Ehepaar im Geier-Schutzreservat - an einem Spielfilm namens Rosenhochzeit. Sonst noch was? "Na, immer!" (Claus Philipp/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4. 4. 2007)