Vom britischen Milton Keynes aus vermittelt die Open University ihr Wissen über das Internet und digitale Datenträger.

Foto: Standard/ou

James Fleck ist Dekan der britischen Open University Business School.

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Die Lerninhalte werden online vermittelt. Vor Ort – auch in Wien – trifft man Tutoren und Mitstudenten.

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"Das ist ja eine Geisterstadt!", meint mein Kollege beim Streifzug über den Campus der Open University (OU) in Milton Keynes und spricht damit auch allen anderen Interessierten, die der Presse-Einladung zur größten Online-Universität der Welt gefolgt sind, aus der Seele.

Über 180.000 studieren hier – oder besser gesagt: fern von hier. Gerade das ist nämlich das Besondere an der OU: Wer hier reges und quirliges Studententreiben erwartet, wird frustriert sein. Zwar läuft einem auf dem riesigen Universitätsbereich hie und da jemand über den Weg, dabei handelt es sich aber mit allergrößter Wahrscheinlichkeit um einen der 3500 OU-Mitarbeiter.

Studiert wird ausschließlich von zu Hause, eine Anwesenheit an der Uni ist weder notwendig noch vorgesehen. "Das ist das Großartige an unserem Konzept", sagt Paul Quintas, Director of Research. "Unsere Leute studieren, können trotzdem ihre berufliche Tätigkeit aufrechterhalten und ihr neues Wissen sofort umsetzen." Das System habe sich in der Praxis – so der Grundtenor aller Professoren – besonders bewährt und sei jedenfalls allen anderen Lernmodellen vorzuziehen.

James Fleck, ehemals Director der Edingburgh University School of Management und heute Dekan der OU Business School, stand, als er vor zweieinhalb Jahren nach Milton Keynes wechselte, dem Fernlernsystem skeptisch gegenüber. Dass seine Zweifel der Vergangenheit angehören, können wir schon dem ersten Satz seines Vortrags entnehmen: "Hier kann man überhaupt nicht von 'Distance Learning' sprechen. Eher von 'Nearness Learning' – denn jeder Student hat vor Ort einen Tutor, mit dem er laufend in Kontakt steht", so Fleck.

Definition von Distanz

Darüber hinaus sei es jederzeit möglich, mit einem Professor ein persönliches Gespräch zu führen, das verstehe sich von selbst: "Wissen Sie was 'Distance Learning' wirklich ist?", fragt er in die Runde und gibt sich die Antwort gleich selbst: "500 Studenten in einem Hörsaal. Zumindest zu den hinteren Reihen besteht da eine große Distanz!" Die Akkreditierungen der Public University – wie von der European Foundation for Management Development oder der Association of MBAs, um nur einige zu nennen – geben Fleck jedenfalls Recht. Und nicht nur das: Die OU wurde 2005 in einer nationalen Umfrage (England, Wales und Nordirland) zur Studentenzufriedenheit klar an die erste Stelle gereiht. "Das kann ich gut nachvollziehen", meint Patricia Paic, MBA Graduate 2006. "Als ich mich für den MBA entschieden habe, habe ich nach einer leistbaren und trotzdem hochwertigen Variante für mich gesucht. Die OU war mit Abstand die Universität mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis."

Rund 20.000 Euro sind für ein MBA-Programm zu berappen (Lernmaterialien wie Bücher, DVDs, CD-ROMs inklusive), das von Österreich aus absolviert wird – eine Summe, die umso leichter aufzubringen ist, als man dabei eben weiter arbeiten kann. "Uns wurde vor jedem Kurs gesagt, wie viele Lernstunden pro Woche wir einzukalkulieren hätten. Das hat natürlich von Person zu Person variiert, aber es war dennoch eine gute Orientierungshilfe", erzählt Paic, die während der gesamten Studiendauer in Vollzeit arbeitete und bis heute noch nie in Milton Keynes war.

Wenn auch nicht hier am Campus, so scheint es so etwas wie Studentenleben trotzdem zu geben, nämlich in den Heimatorten der Studierenden. Bei den regelmäßigen Treffen mit seinem Tutor lerne man auch Studienkollegen kennen. Man werde dabei sehr ermutigt, berichten uns ehemalige Studenten, selbstständig Lerngruppen zu bilden und sich so gegenseitig zu unterstützen. "Bei meinem Programm waren es zehn bis 15 Leute, die sich die ganze Studiendauer hindurch regelmäßig zum Lernen und Diskutieren zusammengefunden haben. Das war schon sehr bereichernd und lustig", erinnert sich Paic. Ihre Worte sind Balsam auf den Wunden jener von uns, die mindestens ebenso gerne Nachmittage in verrauchten Studentenlokalen zugebracht wie geistvolle Bücher gelesen haben.

"Bei allem Positiven habe ich eines am Studium an der Open University wirklich gehasst", will die frischgebackene MBA-Absolventin Paic zum Schluss aber dennoch loswerden: "Die Prüfungen! – Aber das wäre wohl überall so gewesen, oder?" Wir stimmen ihr zu: Manches bleibt – Distance hin, Nearness her – doch immer gleich. (Judith Hecht/DER STANDARD-Printausgabe, 31.3./1.4. 2007)